Interview Sandra Nasic Ein Leben ohne "Affen"

Mit den Guano Apes ist sie weltweit getourt und hat über drei Millionen Alben verkauft. Dann ist die Band zerbrochen, Sängerin Sandra Nasic untergetaucht. Jetzt ist sie zurück mit einer Soloplatte. Im stern.de-Interview spricht sie über das Nachwachsen, Studiosessions bis zum Delirium und Erfolgsdruck.

Frau Nasic, vor drei Jahren haben Sie sich von den Guano Apes getrennt, die Band war damit am Ende. Was haben Sie in der Zeit gemacht?

Ein Jahr lang war ich richtig weg von allen Plattenfirmen-Gesprächen und Musikern und habe mein Privatleben genossen. Ich hatte Zeit, ein bisschen nachzuwachsen. Wenn man in so einem Konstrukt seit Schulzeiten unterwegs ist und permanent zwar das tut, was man liebt, aber es doch immer das Gleiche ist, dann kann man nicht wachsen. Für mich war diese Pause total wichtig. Ich habe Zeit in meine Beziehung investiert, habe meinem Freund in seinem Café geholfen, habe an unserem Seegrundstück gebaut, war unterwegs und habe Familie und Freunde getroffen.

Mit den Guano Apes waren Sie zehn Jahre unterwegs...

Wir waren überall in der Welt. Überall. Das war auch gut, war toll, und ich möchte auch nicht missen, was ich alles gesehen und erlebt habe. Das reicht schon für ein Leben.

Fällt man nicht in ein totales Loch, wenn man so viel zusammen unterwegs ist?

Ja, klar, wenn ich von diesen ganzen Tourneen erst mal runterkam, ist mir schon die Decke auf den Kopf gefallen. An den Punkt kommt jeder Musiker, der viel unterwegs ist. Aber ich wusste, dass ich da durch muss. Ich habe mich dem gestellt. Gott sei Dank sind viele Freunde von früher nach Berlin gezogen. So hatte ich eine Struktur um mich herum.

Soloalbum "The Signal"

Druckvoll, rockig - wer die Guano Apes mochte, wird auch an Sandra Nasic erstem Soloalbum Gefallen finden. Ihre erste Single "Name of the Baby" kommt im gewohnten Powerrock daher. Allein schlägt sie aber auch mal sanftere Töne an: "Fever" beispielsweise ist im Gwen-Stefani-Pop-Stil

Sind die Guano Apes nicht eine eingeschweißte Gemeinschaft gewesen?

Wir kamen so jung zusammen und hatten schnell Erfolg. Da sind viele Dinge passiert, die man vielleicht menschlich hätte ausbessern müssen. Gegenseitig. Irgendwann haben wir das nicht mehr gemerkt. Die anderen hätten immer so weitermachen können. Die anderen kannten sich von Kindesbeinen an, sind dicke Freunde. Ich kam relativ spät dazu. Das war nicht leicht für mich.

Gab es einen Auslöser bei Ihnen, woran Sie gemerkt haben, so funktioniert das nicht mehr?

Es gab einige bandinterne Geschichten, wo ich gemerkt habe, dass es menschlich nicht mehr stimmt. Mir wurde klar, dass ich es nicht nur wegen der Kohle machen will, wenn ich mich mit den Leuten nicht mehr verstehe. Deswegen hab ich einen Schlussstrich gezogen. Ein Teil der Band hat es verstanden, der testosterongesteuerte Teil nicht. Trotzdem war es sehr schön, mit ihnen Musik zu machen, die Spannung war ja auch musikalisch immer da.

Gibt's denn noch Kontakt?

Ne, gibt's nicht.

Jetzt sind Sie also Ihre eigene Chefin…

Ich war schon immer meine eigene Chefin. Aber ich wollte eben Neues erleben, mit neuen Leuten arbeiten. Es ist total schön, sich die Leute auszusuchen, mit denen man zusammenarbeitet. Es gibt dieses Ego Gekämpfe nicht mehr, sondern es sind eben Kollegen.

Bei den Guano Apes waren alle gleichberechtigt. Und jetzt sind Sie diejenige, die sagt, das ist meins und da steht mein Name drauf.

Ich habe es genossen, nur mich, meine Gitarre und meinen Rechner zu haben. Ich war allein in meinem Studio, mit einer guten Flasche Wein (lacht) und habe gemerkt, was für ein Studiomensch ich bin. Bis zum Delirium habe ich mich in diese Welt reinfallen lassen, teils bis acht Uhr morgens. Es gibt zwei Dinge, bei denen ich aufgehe: auf der Bühne und im Studio, wenn ich kreativ an Songs arbeiten kann.

Für die Aufnahmen Ihres ersten Soloalbums waren Sie in London, Stockholm und...

...Amsterdam. Und dann waren Produzenten teilweise bei mir in Berlin. Eine verschachtelte Arbeitsweise - irgendwann habe ich die Festplatten mit dem ganzen Material unfertig wieder nach Berlin mitgenommen und weitergebastelt.

Wie waren die Aufnahmen?

Am besten haben mir die Nachtsessions gefallen, wenn wir gejammt haben. Beispielsweise mit dem schwedischen Jungproduzenten Patrick Berger - wir saßen beide mit der Gitarre da, haben uns gegenseitig beim Spielen überboten und lange nach Sounds gesucht, stundenlang, vergeblich. Dann kamen Freunde vorbei, wir sind zum Bowlen gegangen, haben getrunken, sind zurück ins Studio, und auf einmal entsteht dieser geniale Song "Mecasanova" innerhalb von zwei Minuten, den ich sofort komplett eingesungen habe.

Sie sind bei der gleichen Plattenfirma, Gun Records, bei denen auch die Guano Apes waren. Hatten Sie mehr finanzielle Freiheit dadurch?

Ja natürlich. Es war ja nicht so, dass ich nichts geleistet hätte in den letzten zehn Jahren. Da ist man bei Plattenfirmen ein gern gesehener Gast und Vertragspartner. Ich habe mit vielen anderen Plattenfirmen geredet, die fanden die Songs auch toll. Letztendlich habe ich wieder bei Gun unterschrieben. Die kenne ich gut, ich fühle mich da sicher, es ist eine kleinere Firma, kein Major, da kann ich den Chef direkt anrufen und bin nicht eine unter Vielen.

Mittlerweile ist es allerdings viel schwerer, Platten zu verkaufen als vor zehn Jahren. Was würden Sie alles tun für Erfolg?

Oh Gott.

Nackt im Playboy ausziehen oder ständig für Klatschblätter posieren?

Also...schwierig. Ich werde bestimmt die eine oder andere Sache machen, aber auf so richtig "bad taste" habe ich keinen Bock. Ich sehe mich als Musikerin. Und ich bin auch nicht die weltgrößte Entertainerin. Ich kann keine Witze erzählen. Das können andere besser. Meine Stärken liegen auf jeden Fall im Komponieren, im Singen.

Spüren Sie Erfolgsdruck?

Ich habe alles gemacht, wonach mir der Sinn war. Elektropop, Pop- und auch Rock-Sachen. Das kann nach hinten losgehen, aber das macht nichts. Ich hatte meinen Erfolg mit den Apes, da bin ich auch stolz drauf. Für mich ist es schon ein Erfolg, dass ich meine Platte fertig bekommen habe. Darin sind andere Facetten als früher zu sehen. Vielleicht die mehr weiblichen, es ist eine Portion mehr Leidenschaft drin. Ich mache mir keine Sorgen, auch wenn die Platte floppen sollte.

Bewundernswert.

Sorgen habe ich mir früher gemacht. Man denkt ja immer, ein Musiker hat nur dann Erfolg, wenn er in den Medien ist. Das ist Pustekuchen, völliger Quatsch. Ich kenne so viele Künstler, Musiker, die unglaublich viel Erfolg haben und überhaupt nicht in den Medien präsent sind. Das ist nämlich der wahre Erfolg. Und es gibt verdammt viele, von denen man nichts weiß (lacht).

Interview: Kathrin Buchner

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