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Joe Cocker in Eckernförde Woodstock an der Waterkant

Rom, Athen, Eckernförde - Weltstar Joe Cocker beendete seine Europatour in einer Kleinstadt an der norddeutschen Ostseeküste. Ein Freund aus Schleswig-Holstein hatte den britischen Sänger zu einem Open Air am Strand überredet.
Von Sebastian Wieschowski

Wie ein gut befüllter Trinkbruder tanzt und torkelt er um das Mikrofon, mit verwegenem Blick röhrt Joe Cocker "Unchain my heart". Grau melierte "best ager" drängeln sich als kreischende Cocker-Groupies in der ersten Reihe. Weiter hinten tänzeln ältere Damen mit Ehering am Finger verträumt in Richtung Bierzelt zurück, als hätten sie gerade ihre große Liebe getroffen. Es fliegen die Hormone - dafür hat sich der Aufpreis bei Bratwurst und Bier gelohnt.

Die Ostseestadt Eckernförde ist im Ausnahmezustand, denn ein Weltstar gibt sich am Südstrand die Ehre. Es ist der einzige Open-Air-Auftritt des britischen Weltstars mit der markant-rauchigen Stimme in Deutschland in diesem Jahr. Und gleichzeitig das Abschlusskonzert einer zweimonatigen Europa-Tournee. An die Ostsee geholt hat ihn ein Eckernförder: Jens Skwirblies, 41. Kein Manager, kein Promoter, eigentlich nur Musiker - und Freund des Weltstars und gelernten Gas-Wasser-Installateurs John Robert Cocker.

Der Weltstar ließ sich nicht zweimal bitten

125.000 Euro stellte Cocker für den Kurzbesuch in Schleswig-Holstein in Rechnung - und ließ sich vertraglich einen Anspruch auf drei Stunden Soundcheck zusichern. Skwirblies begleitete Cocker vor zwei Jahren auf einer Tour in Dänemark und nutzte seine Chance, als der Sänger seine Tour für 2007 plante und die süddänische Stadt Sonderborg an der Flensburger Förde in den Kalender aufnahm: "Wenn ihr schon da seid, könnt ihr gleich in Eckernförde vorbeikommen", soll die freche Forderung gelautet haben. Und der Weltstar ließ sich nicht zweimal bitten.

Die Sicherheitsvorkehrungen beim Besuch des Woodstock-Wunders an der Waterkant erinnern an den G8-Gipfel: "Die Landseite wird durch einen Zaun geschützt und auch wasserseitig wird ein Sperrgebiet eingerichtet", sagt Veranstalter Skwirblies. Wuchtige Betonplatten wurden in den feinen Sandstrand gerammt, ein Marineschiff wartete in Sichtweite auf Konzertbesucher, die ohne Eintrittskarte, aber mit Boot anreisen. Zehntausend Besucher sind gekommen, ein paar tausend Menschen weniger machten vor dem Open-Air-Gelände die Bundesstraße 76 unbefahrbar: "Macht doch nichts, wenn wir Joe Cocker nicht sehen. Hauptsache, wir hören ihn", sagt ein Zaungast. Zu sehen bekamen die nicht-zahlenden Gäste entgegen der Planung trotzdem etwas: Nachdem die Gitterzäune zuerst mit weißen Planen bedeckt wurden, musste der Sichtschutz wegen des starken Seewindes wieder abgenommen werden.

Der musikalische Hofstaat im "Seereise"-Bus

Manche Konzertbesucher haben vier Stunden auf Einlass und weitere vier Stunden auf Joe Cocker gewartet. Sie hatten sich eine entspannte Ü50-Party erhofft, strahlenden Sonnenschein und einen sanften Seewind. Weil in Schleswig-Holstein das Schietwetter zuhause ist, wurde aus der Beach Party nichts. Trotzdem warten die Cocker-Fans vergnügt auf den jovialen Edel-Saufkumpanen mit seriös schwarzer Hose und schwarzem Hemd, den singenden Tattergreis. Der kommt leise und heimlich mit seinem musikalischen Hofstaat in einem "Seereise"-Bus, der sonst norddeutsche Schüler auf Klassenfahrt oder kauflustige Senioren auf Kaffeefahrt durch Marsch und Geest kutschiert. Hinter der Bühne werden zwanzig rote Trinkbecher aufgestellt - der Meister höchstpersönlich hatte es so gefordert. Ansonsten sei Joe Cocker sehr unkompliziert, versichert eine Küchenhelferin: "Außergewöhnliche Getränkewünsche gab es nicht, Herr Cocker hat vor allem auf viel Mineralwasser Wert gelegt."

Das dürfte der Blues-Opa auch gebraucht haben, um seine raue Stimme im rauen Wind der Ostsee in Form zu halten. Ganz nüchtern tanzt und torkelt er am Mikrofon, ohne Pause schmettert er einen Hit nach dem anderen, als wolle er gar nicht mehr aufhören. Warum sich der Sänger und Songschreiber mit 63 Jahren immer noch dem schweißtreibenden Showstress aussetzt? "It's still fun", wird er nach dem Konzert sagen, es macht noch immer Spaß. Während Cocker die musikalische Untermalung zu Jugenderinnerungen seiner Zuhörer liefert, denkt an Bier oder Bratwürste jetzt niemand mehr. Der Bass wummt, die Beats dröhnen, ohne Rücksicht auf ihre eigenen Stimmbänder singt die Fangeneration "Fünfzig plus" mit, Beine, Arme, Füße und Köpfe sind in Bewegung. So manche Erinnerung an den ersten Kuss wird lebendig - Musik fürs Herz und die jugendlichen Gefühle von der Mensch gewordenen Joe-Jukebox.

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