Musikszene Das deutsche Pop-Wunder brennt noch

Vor zwei Jahren begann mit dem Durchbruch von Wir sind Helden die Erfolgsgeschichte der deutschsprachigen Popmusik. Inzwischen sind deutschsprachige Titel aus den Charts nicht mehr wegzudenken

Sie heißen El*ke, Toni Kater oder Revolverheld. Noch haben sie nur eine kleine, harte Fangemeinde. Doch das kann sich schnell ändern. Das deutsche Pop-Wunder ist nach Ansicht von Musikexperten noch lange nicht zu Ende. Vor zwei Jahren begann die Erfolgsgeschichte deutschsprachiger Pop- und Rockmusik mit Bands wie Wir sind Helden, Virginia Jetzt!, Mia oder Silbermond. Heute sind deutschsprachige Titel aus den Radioprogramm nicht mehr wegzudenken, kleine Bands veröffentlichen auf großen Labels - und vor allem die ambitionierten Live-Auftritte der einheimischen Künstler ziehen Tausende an.

Deutschsprachige Musik liege weiter im Trend, sagt Ralf Kleinhenz, Geschäftsführer der Musikmesse Popkomm, die in Berlin bis zum Freitag Nachwuchstalente aller Stilrichtungen vorstellt. Im vergangenen Jahr kamen deutsche Produktionen in den Album-Charts auf einen Rekordanteil von 30,3 Prozent. Bei Singles war es nach der Statistik der Phonoverbände trotz kleiner Einbußen sogar mehr als die Hälfte.

Mehr deutsche Produktionen in den Charts

Im Langzeitvergleich zeige sich, dass deutsche Produktionen ihren Anteil in den Charts seit 1991 bis heute etwa verdoppelt haben, heißt es bei den Phonoverbänden. "Mehr als die Hälfte unserer Songwriter texten in Deutsch", sagt Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor der Popakademie in Mannheim, an der 150 junge Nachwuchstalente studieren.

Zurzeit beherrschen die Magdeburger Teenie-Band Tokio Hotel mit der Rockballade "Durch den Monsun" und die Kölner HipHop-Formation Die Firma mit "Die Eine 2005" die vorderen Plätze der deutschen Single-Charts. "Wir haben eine unglaubliche Bandbreite an Stilrichtungen", sagt Dahmen.

"Anfang der 90er Jahre galten die Bands der so genannten Hamburger Schule wie die Sterne oder Tocotronic noch als gesellschaftskritisch und politisch", sagt die Musikkennerin Astrid Vits. "Heute geht es in den Songtexten eher um Gefühle und um das eigene Ich", so Vits, die für ihr Buch "Du und viele von deinen Freunden I. + II." (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag) mehr als 60 deutsche Bands und Künstler befragt hat.

Rammstein gilt als "typisch deutsch"

Ins Ausland lässt sich der Deutsch-Pop kaum exportieren. "Nur elektronische Musik aus Deutschland ist im Ausland anerkannt", sagt Vits. "Dann noch Rammstein, Musik die als 'typisch deutsch' gilt, hart und martialisch." Und warum singen dennoch so viele auf Deutsch? "Ich finde es schwierig, in einer Sprache Lyrik zu verfassen, die ich nicht hundertprozentig beherrsche", sagt etwa der Sänger Jens Friebe.

"Die Künstler gehen offensiv und durchdacht mit der Sprache um", hat Popakademie-Chef Dahmen festgestellt. Mit einem unter anderem nach einem Song von Mia viel diskutierten, neuen Nationalstolz habe das nichts zu tun. Ohne die Geschichte zu vergessen, entwickele sich ein unverkrampftes, neues Selbstbewusstsein. "Keine der Bands hat in irgendeinem Sinn in ihren Texten etwas mit neuem Nationalstolz zu tun", sagt auch Vits.

Und wie sieht das Erfolgsrezept für deutschsprachige Bands aus? "Sie müssen authentisch und originell sein", empfiehlt Dahmen. Vor allem aber müssen die Künstler live überzeugen. Nur dann kann es frei nach dem Songtitel von Wir sind Helden heißen: "Wir sind gekommen, um zu bleiben."

Elke Vogel/DPA

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