Das Vorspiel ging für die Fans enttäuschend aus: Bei der Ankunft von Shakira am Mittwoch in Hamburg war außer ihren wilden Korkenzieherlocken nicht viel zu sehen. In Wintermantel, den bunt geringeltem Wollschal bis zur Nase gewickelt, verbrachte der Popstar einen von Autogrammjägern abgeschotteten Tag an der Elbe. Doch der Liebesentzug kann die innige Beziehung der Fans zur rassigen Kolumbianerin ohnehin nicht erschüttern. Im Gegenteil. Bei eisigen Temperaturen warten viele Fans geduldig vor der Color Line Arena, um die besten Plätze beim Auftaktkonzert ihrer Europa-Tournee zu bekommen.
Als die Tore endlich aufgehen, stürmen jugendliche Fans in Richtung Bühne los. Andere Kids sehen es gelassener, besuchen mit Mama, Papa oder den Großeltern erst einmal den Hot-Dog-Stand und schlendern dann mit dem frisch erworbenen "Shakira"-Shirt auf ihre Plätze. Die 29jährige verbindet mit ihrem Latin-Pop offensichtlich Generationen, selbst Literatur-Nobelpreisträger Gabriel García Márquez, immerhin Jahrgang 1927, schwärmt über sie: "Shakiras Musik hat eine persönliche Note, die keiner anderen gleicht. Niemand kann singen und tanzen wie sie, in jedem Alter, mit solcher unschuldigen Sinnlichkeit, die ihre eigene Erfindung zu sein scheint."
Sie ist da: "Estoy Aqui"
Als Shakira um 21 Uhr die Bühne betritt, weiß man genau, was Márquez so in Wallung versetzt. Ein Hüftschwung rechts, einer links und etwa 10.000 Menschen in der nicht ausverkauften Arena kreischen vor Entzückung. Selbstbewußt verkündet Shakira "Estoy Aqui", was so viel heißt wie "Ich bin hier". Sie ist da - aber ihr Publikum, unter ihnen viele Latinos, will davon auch wirklich überzeugt werden. Obwohl Shakira ihren Arm wie Pete Townsend über die Saiten ihrer Glitzer-Gitarre fliegen lässt, ist die Stimmung nach der euphorischen Begrüßung verhalten. Barfuss, bauchnabelfrei und mit transparentem Top muss sich der Motor von Südamerikas erfolgreichstem Pop-Export wohl erstmal warmlaufen.
Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass die Schaltung noch hakt: Nach zwei flotten Nummern kommt mit "Illegal" eine Ballade, wo doch alle tanzen wollen. Als Kolumbiens schönster Bauchnabel kurz darauf die Bühne verlässt und stattdessen ein kurzes Ballettvideo läuft, säuft der Motor endgültig ab. Selbst HSV-Star Rafael van der Vaart und Frau treten vorzeitig den Rückzug an. Nur Sarah Connor und Kochschauspieler Tim Mälzer ahnen, das Shakira hier noch aufs Gaspedal tritt.
Superstar ohne Allüren
Im vergangenen Jahr heizte die Bomba Latina dem Publikum mit "Hips don`t lie" im Vorprogramm des Finales der Fußball-WM ein. Daran hat sie sich wohl erinnert. Jedenfalls nimmt Shakira im neuen roten Kleid mit Schmetterlingsärmeln plötzlich richtig Fahrt auf: Songs aus den aktuellen Alben "Fijacion Oral" und "Oral Fixation Vol. 2" werden von der exzellenten siebenköpfigen Band über die Bühne gepeitscht. Endlich gibt es die Hits, auf die alle so sehnsüchtig warten mussten. Als die ersten Takte von "Whenever, Wherever" erklingen, wird die sterile Arena zur Dancehall. Hüften kreisen, kolumbianische Fahnen wehen und auch Delmenhorsts berühmteste Bürgerin, Sarah Connor, tanzt jetzt völlig losgelöst zwischen den Stühlen. Shakira hat Spaß, grinst immer wieder lausbübisch und zeigt sich als sympathischer Superstar ohne Allüren.
Konfetti-Schnipsel zum Finale
Allen Zweiflern, die Shakira für ein sexy Chartpüppchen halten, sei gesagt: Diese Frau ist viel besser als ihr Ruf und keineswegs in einen Topf zu schmeißen mit Latin-Vortänzern wie Ricky Martin oder Enrique Iglesias. Schließlich spielt sie Gitarre, schreibt Songs und produziert sich selber. Die Party geht mit "Underneath Your Clothes" und schönen Bauchtanzeinlagen weiter. Nach knapp 90 Minuten gibt die mehrfache Grammy- Preisträgerin schließlich ihre lautstark geforderten drei Zugaben. Nochmals Garderobenwechsel. Diesmal in orientalische Seide gekleidet, sieht Shakira aus wie die bezaubernde Jeannie. Zum Finale regnet es bunte Konfetti-Schnipsel in der Color Line Arena. Ein versöhnliches Ende dank der späten Vollgasfahrt einer bezaubernden Shakira.