Der Ravensburger Verlag hat nach heftiger Kritik zwei Kinder- und Jugendbücher aus dem Programm genommen: "Wir haben die vielen negativen Rückmeldungen zu unserem Buch 'Der junge Häuptling Winnetou' verfolgt und wir haben heute entschieden, die Auslieferung der Titel zu stoppen", hieß es in einer bei Instagram veröffentlichten Mitteilung. Zudem entschuldigte sich der Verlag dafür, sollte er die "Gefühle anderer" verletzt haben. Beide Titel waren als Begleitung zum gleichnamigen am 11. August gestarteten Kinofilm aufgelegt worden. Außerdem waren von der Maßnahme noch ein Puzzle und ein Stickerbuch betroffen.
Auch der gleichnamige Film, für den das Merchandise aufgelegt wurde, ist umstritten. In der Geschichte geht es, angelehnt an die Werke von Karl May, um den heranwachsenden Häuptlingssohn Winnetou, der sich mit seiner Schwester und einem weißen Stadtjungen in ein Abenteuer stürzen muss, um seinen Stamm zu retten. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) verlieh dem Film zwar das Prädikat "besonders wertvoll". Allerdings schreibt die FBW auf ihrer Homepage, dass die Jury in der Gesamtbewertung "absolut gespalten war - zwischen vehementer Ablehnung einerseits und großer Zustimmung andererseits". Einige Jurymitglieder hielten den Film demnach für ein "kitschiges rückwärtsgewandtes Theaterstück". "Karl Mays literarische Idylle im Herkunftsland der indigenen Völker Nordamerikas sei, so die Aussage der Jury-Mitglieder, eine Lüge, welche den Genozid an den Ureinwohnern Amerikas und das ihnen zugefügte Unrecht der Landnahme der weißen Siedler und der Zerstörung ihres natürlichen Lebensraumes vollkommen ausblenden würde", hieß es.
Die befürwortende Mehrheit der Jury vertrat hingegen laut FBW die Auffassung: "Es sei allseits bekannt, dass Karl May seine Erzählungen im von ihm so genannten 'Indianerland' und auch im 'Orient' aus seiner Fantasie geschrieben habe und selbst nie vor Ort der von ihm erdachten Abenteuer gewesen sei. Man könne ihn daher ruhigen Gewissens als "Märchenonkel" bezeichnen. Der Film sende zudem Botschaften für Gleichberechtigung und Frieden aus.
Ravensburger-Ankündigung sorgt für geteiltes Echo
Kritiker im Netz warfen den Machern unter anderem vor, Bücher und Film transportierten Stereotypen und schürten kritische Vorurteile. Zudem sei er ein Fall von kultureller Aneignung. Von kultureller Aneignung, englisch "Cultural Appropriation", ist die Rede, wenn sich Mitglieder der weißen Mehrheitsgesellschaft nach Auffassung der Kritisierenden einer Kultur bedienen, deren Angehörige sie unterdrückt haben. Die – oft hitzig geführte – Debatte brandet immer mal wieder auf, wenn weiße Menschen beispielsweise Frisuren oder Kleidung tragen oder Musik spielen, die nach dieser Betrachtungsweise für sie tabu sind. Zwei Fallbeispiele finden Sie hier und hier.
Der Karl-May-Experte Andreas Brenne sagte nur "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Ich halte es für nicht richtig, ein solches Buch nur aufgrund eines Shitstorms aus dem Verkehr zu ziehen". Brenne, der als Professor für Kunstpädagogik und Kunstdidaktik an der Universität Potsdam wirkt und in der Karl-May-Gesellschaft an Programmfragen mitarbeitet, hält das Buch für unbedenklich. Schon in der Vorbemerkung werde schließlich klargestellt es sich um eine fiktive Geschichte keine sachgerechte Darstellung des Lebens indigener Völker handele. Brenne warnte dem Bericht zufolge zudem davor, den Vorwurf der falschen kulturellen Aneignung unreflektiert zu generalisieren.
Sehen Sie im Video: Für mehr Diversität – müssen wir unsere Kinderbücher und Märchen umschreiben?
Die Ankündigung des Verlags rief unter dem Instagram-Post geteiltes Echo hervor. In vielen Kommentaren äußerten Menschen überwiegend ihr Unverständnis über die ihrer Meinung "überzogene" Entscheidung, es gab jedoch auch Zustimmung. Der Verlag schrieb daraufhin, man nehme sich jegliche Kritik zu Herzen, wolle am Umgang mit sensiblen Inhalten arbeiten und den eigenen hohen Ansprüchen diesbezüglich gerecht werden. Die Veröffentlichung der Titel sei ein Fehler gewesen.
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