"The Voice of Germany" Das schmerzbefreite Gebrabbel des Xavier Naidoo

  • von Christoph Forsthoff
Wenn es darum geht, seine Schützlinge auf den richtigen Pfad zu führen, schreckt "Coach" Xavier Naidoo vor keiner verbalen Banalität zurück. Die übrigen "Voice of Germany"-Kollegen haben die ihnen anvertrauten Gesangstalente vor allem fürchterlich lieb.

Schämt der sich eigentlich nicht? Solche unglaublich banalen Sätze abzusondern, die oft genug noch nicht einmal vollständig sind? Mit vermeintlich "coolen" Worten um sich zu werfen, die doch nur lächerlich wirken - "ich will auch euer Drillmaster sein ...". Oder meinte Xavier Naidoo etwa Grillmaster? Aber nein, gegrillt wird ja bei der Castingshow "The Voice of Germany" niemand, hier nehmen die "Coaches" den Nachwuchs behutsam unter ihre Fittiche.

Zumindest im besten Fall - ansonsten müssen die hoffnungsfrohen Sänger eben das bisweilen völlig sinnfreie Gebrabbel von "Lehrer" Naidoo ertragen, denn der scheint schmerzfrei zu sein: Noch nicht einmal die Unkenntnis der Takt-Zählzeit "Eins" beim vermeintlichen "Coaching" kann den Mann in seinem Größenwahn stoppen. "Da muss Julius sein Schwert ganz schön schleifen, um nicht den Schädel abgesäbelt zu bekommen von Katja", quält der Sänger Kandidaten und Publikum mit dem unsäglichen Versuch, eine Wortbilder-Brücke zum Schlachten-Song "Krieger des Lichts" von Silbermond zu schlagen. Denn: "Der Weg ist blockiert" bei Julius, so seine wirre Erkenntnis, die von einer Hilfestellung zur Atem-, Stimm- oder Gesangstechnik ähnlich weit entfernt ist wie ein Walzer vom Viervierteltakt.

Macht aber alles nichts, selbst die möglicherweise ein bisschen fähigeren "Coach"-Kollegen gebieten Naidoo keinen Einhalt: Schließlich haben sich bei dieser etwas anderen Casting-Show auf Sat1 ja alle ganz fürchterlich lieb. Ihre Talent-Teams haben sich Naidoo, Nena, Rea Garvey sowie Alec Völkel und Sascha Vollmer von The Boss Hoss zuvor in den "Blind Auditions" selbst zusammengestellt. Entsprechend ist nun auch ständig irgendjemand stolz auf die jungen oder auch schon älteren Kontrahenten. Kritik fehlt da fast gänzlich, selbst wenn zwei gestandene Sänger wie Arcangelo Vigneri und Charles Simmons bei "Everybody Hurts" nicht nur meilenweit von R.E.M. entfernt sind, sondern vor allem von einem Duett.

Nicht genutzes Potenzial beim "Battle" im Boxring

Schade eigentlich, denn Potenzial wäre zweifellos vorhanden gewesen, doch auch einem Rea Garvey ist das Coaching-Talent offenbar nicht in die Wiege gelegt worden. Und so gibt's eben statt eines Miteinanders eher ein Gegeneinander wie auch bei so manchem anderen Song an diesem Abend - was natürlich wiederum ganz im Sinne der Show und ihres "Battle"-Gedanken ist, der (wie gemein aber auch!) in dieser zweiten Castingphase jeweils zwei Gesangstalente aus dem gleichen Team im Boxring gegeneinander antreten lässt.

Ohnehin: Kompliment, liebe Produzenten! Mögen die verbalen Auswürfe auch nur knapp oberhalb der Grasnarbe dahinholpern, geschnitten ist das TV-Produkt wirklich sehr professionell und kurzweilig. Dazu werden reichlich (musikalische) Pathos-Soße und große Gesten rund um die Vorstellung der acht mal zwei Kandidaten geboten, die im Kampf um den Einzug in die nächste Runde miteinander singen und gegeneinander "performen" müssen. Slow Motion hier und Küsschen da, ein Quäntchen Frust ist auch erlaubt, die vorgestanzten Dialoge und vom Drehbuch vorgegebenen Jubelszenen wirken nicht allzu gestellt.

Und obendrein gibt's ja dann immer noch die selbst nach mehr als drei Jahrzehnten nach wie vor ewig aufgedrehte "Ich-hab-euch-alle-lieb"-Nena - wen interessieren da noch groß die sängerischen Leistungen? Die nämlich bewegen sich überwiegend zwischen hölzern und solide. Den raren Ausnahmen aber wie der 18-jährigen Ivy Quainoo bleibt nur zu wünschen, dass sie tatsächlich an einen echten "Coach" geraten, der mit ihnen weiter an Stimme, Ausstrahlung und Bühnenauftritt arbeitet. Das nämlich macht auch diese Kuschel-Show wieder einmal deutlich: Talent ist bestenfalls eine Grundlage für eine mögliche Karriere - alles andere will hart erarbeitet sein.

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