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Öffentlich-rechtliches TV ARD und ZDF in der Kritik: Haben die Sender den Sturm aufs Kapitol verpasst?

Sturm aufs Kapitol
Demonstranten zerstören Ausrüstung von TV-Teams vor dem Kapitol in Washington.
© Agnes BUN / AFP
Während militante Trump-Anhänger in Washington das Kapitol stürmten, bekamen die deutschen Zuschauer auf ARD und ZDF Spielfilme geboten. Haben die Sender falsch entschieden?

In vielen Gegenden Deutschlands hat es am Mittwochabend kräftig geschneit. Entgegen dem weit verbreiteten Vorwurf, die ARD nutze jede extreme Wetterlage für einen "Brennpunkt", bekamen die Zuschauer im Ersten aber wie geplant den Fernsehfilm "Für immer Sommer 90". Den unterbrach der Sender allerdings auch nicht, als sich in Washington etwas weit bedeutenderes ereignete als der Niederschlag von ein paar Schneeflocken: der Sturm aufs Kapitol.

Das gleiche Bild beim ZDF: Dort lief die angekündigte Folge aus der Krimireihe "Nord Nord Mord". Erst um 21.45 Uhr bekamen die Zuschauer - auf beiden Kanälen gleichzeitig - Bilder von den Geschehnissen in Washington zu sehen. Während das ZDF regulär das "heute-journal" ausstrahlte, schob die ARD eine zehnminütige "Tagesthemen"-Sondersendung ins Programm, sendete danach jedoch das Dokudrama "Die Liebe des Hans Albers".

Auch das ZDF setzte das Programm im Anschluss nach dem "heute-journal" wie geplant fort: Keine weiteren Bilder des gehörnten QAnon-Schamanen und seiner Gefolgsleute, stattdessen wurden die Zuschauer "Durch Europas wilden Südosten" geführt.

Kritik an ARD und ZDF

Für beide Entscheidungen ernteten die Sender noch im Laufe des Mittwochs heftige Kritik. "In Washington gibt es einen Anschlag auf die US-Demokratie und DAS ERSTE sendet Hans Albers! Verstehen tue ich das nicht mehr. Auch nicht das ZDF", twitterte Ulrich Deppendorf, der Leiter und Chefredakteur des ARD Hauptstadtstudios Berlin, am Mittwochabend um 22.47 Uhr. 

Auch Claus Kleber meldete sich an dem Abend zu Wort. Der "heute-journal"-Moderator twitterte bereits um 20.38 Uhr: "Unfassbare Szenen im US #capitol. #CNN einschalten. Sofort". Ein Hinweis, der unter seinen Followern eine Debatte auslöste: Wofür zahle ich meine Rundfunkgebühren, wenn ich bei wichtigen Lagen CNN einschalten soll? - so der Tenor. 

Der Tweet sorgte auch deshalb für Verwunderung, weil Kleber die Zuschauer ebenso gut auf Phoenix hätte verweisen können, den Schwestersender von ARD und ZDF, der an dem Abend zuverlässig aus den USA berichtete. 

Phoenix hat umfassend informiert

Doch wer hier eine versteckte Kritik an der Arbeit der Öffentlich-Rechtlichen sehen möchte, sollte bedenken, dass CNN viel bessere Voraussetzungen hat - es ist schließlich ein US-Sender. Dagegen sind ARD und ZDF mit nur wenigen Mitarbeitern in den Vereinigten Staaten vertreten, die Corona-Pandemie erschwert zudem die Einreise.

Was hätte auch ein hektisch anberaumte Sondersendung an dem Abend gebracht? Wulf Schmiese, Redaktionsleiter des "heute-journals", berichtet "Spiegel Online" gegenüber, sich bewusst gegen ein Vorziehen der Nachrichtensendung entschieden zu haben. "Wenn man alles stehen und liegen lässt, um schnell auf Sendung zu gehen, kommt man über das pure Draufhalten nicht hinaus."

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Tatsächlich sind ARD und ZDF Vollprogramme, die Zuschauer erwarten eben auch unterhalten zu werden. Wer sich lieber über die Vorgänge in Washington informieren wollte, konnte das auf Phoenix, Tagesschau24 oder auf den öffentlich-rechtlichen Angeboten im Netz tun. 

So bleibt das größte Versäumnis, die TV-Zuschauer auf diese Angebote auch hingewiesen zu haben. An dem Punkt können ARD und ZDF künftig nachbessern. Immerhin einen Fauxpas haben sie unterlassen: Sie haben auch am Donnerstag keine Sondersendungen zum Wetter gesendet. Stattdessen lief im Ersten um 20.15 nach der "Tagesschau" ein gut recherchierter "Brennpunkt" zum Sturm aufs Kapitol.

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