Bei vielen Leuten genießt diese Show keinen besonders guten Ruf: Wer das Dschungelcamp nicht guckt, bezeichnet das Format gerne als "Trash-TV". Fernsehen für Dumme oder Menschen, die sich mit zu wenig zufrieden geben.
Dabei liefert das Dschungelcamp seit vielen Jahren wichtige Impulse für das Land: Eine kleine Gruppe von Menschen trägt stellvertretend für die restliche Gesellschaft Konflikte aus. Ein Millionenpublikum sitzt dabei vor dem Fernseher und bewertet das Verhalten nach moralischen Aspekten.
Im Dschungelcamp 2022 hat es oft geknallt
Die aktuelle Ausgabe von "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" ist unter diesem Aspekt besonders aufschlussreich. Denn selten barg die Besetzung so viel Konfliktpotenzial wie diesmal. Mit der divenhaften Anouschka Renzi, der bisweilen unverschämten Linda Nobat, dem querschießenden Eric Stehfest oder der selbsternannten Camp-Erzieherin Tina Ruland waren Persönlichkeiten zugegen, die immer wieder aneinander gerasselt sind.
Mehrfach drohte die Situation zu eskalieren. Etwa als Eric Stehfest die Prüfung verweigerte und seine Mitstreiter hungern ließ, weil doch alles nur "Fake" sei. Der "GZSZ"-Star isolierte sich von der Gruppe und war auf bestem Wege, sich von der Gemeinschaft abzuspalten. Er unternahm bereits Spaziergänge wie ein Querdenker.
Doch dann geschah das Wunder: Die Herde fing das schwarze Schaf wieder ein. Harald Glööckler suchte das Gespräch, und auch Linda Nobat hörte Stehfest zu, der dank dieser sensiblen Annäherungen schrittweise aus seiner Selbstisolation geführt wurde und sich schließlich vor die Gruppe stellte und für sein Verhalten um Entschuldigung bat. Die Versöhnung erfolgte unverzüglich, und fortan zog das Team wieder an einem Strang. Zum Wohle aller.
Anouschka Renzi und Linda Nobat im Clinch
Ähnlich lief es am Mittwochabend zwischen Anouschka Renzi und Linda Nobat ab. Die 57-jährige Schauspielerin hatte ihre Mitbewohnerin als "unerzogene Göre" bezeichnet - was diese sehr verletzt hatte. Doch beide sprangen über ihren Schatten und gingen aufeinander zu. Die Entschuldigung war ehrlich: "Du bist ein ganz tolles Mädchen", erwies Renzi der 30 Jahre jüngeren Teilnehmerin Respekt. "Es fällt mir schwer – auch wenn du manchmal Recht hast – dass mir jemand, der so viel jünger ist, über den Mund fährt. Es tut mir leid."
Auch Nobat ging auf die Kontrahentin zu und räumte eigene Fehler ein: "Mir tut es auch leid. Ich weiß, dass das auch von mir manchmal ein Defizit ist." Dass diese Versöhnung unter schwierigen äußeren Bedingungen und trotz Hunger und Schlafmangel zustande kam, ist den Beteiligten umso höher anzurechnen.
Natürlich lassen sich diese Ansätze nicht ohne Weiteres auf die Gesamtgesellschaft übertragen: In kleinen Gruppen und bei persönlichem Kontakt lassen sich Probleme einfacher aus der Welt schaffen als in einem Land mit mehr als 80 Millionen Einwohnern.
"Warum seid ihr so verlogen?": Anouschka macht den Stehfest, Linda muss gehen

Und doch zeigt das Dschungelcamp einen Weg auf, wie sich eine weitere Spaltung verhindern ließe: Wenn man seinem Gegenüber nicht immer gleich das Schlimmste unterstellt, wenn man einander zuhört und Verständnis entwickelt für die Sichtweise des anderen - dann ist schon viel gewonnen.
Und in noch einem Punkt hat das Dschungelcamp 2022 absoluten Vorbildcharakter: klare Kante gegen Rassismus. Es gibt Dinge, da muss die Toleranz ein Ende haben. Auch das kann unsere Gesellschaft von der RTL-Show lernen: Nicht jeder "besorgte" oder wütende Bürger hat ein Anrecht darauf, gehört zu werden.