Königlich sieht Olivia Jones nicht mehr aus. Die schillernden Kostüme hat sie gegen praktische Baumwoll-Shirts getauscht, das Make-up schmilzt in der feucht-schwülen Tropenluft. Und die sonst kunstvoll frisierten Haare erinnerten zuletzt an ein geplatztes Sofakissen. Doch so abgewrackt die Dragqueen bei RTL zu sehen war - zwei Wochen lang war Deutschland hingerissen und überzeugt: Das wird die neue Dschungelkönigin. Oder König? Ja was denn nun?
Olivia Jones heißt eigentlich Oliver Knöbel. Der kleine Oliver schmiss sich schon als Jugendlicher gerne in Frauenklamotten. Damals, in Springe, einem Städtchen in der niedersächsischen Provinz. Inzwischen ist aus dem Kleinstadt-Bengel ein Star geworden. Dass Olivia Jones die Dschungelkrone nicht auf ihre zerrupften Extensions setzen konnte ist völlig egal: Die Dragqueen hat längst ein eigenes Königreich: den Kiez von St. Pauli.
Sie gehört zu Hamburg wie die Reeperbahn
Hier prägt Olivia Jones das Stadtbild, gehört dazu wie die Landungsbrücken oder die Reeperbahn. Ob in einem schwarz-gepunktetem Dalmatiner-Mäntelchen auf dem Weihnachtsmarkt - oder auch abends an der berühmten Esso-Tanke: Olivia Jones ist ein Teil vom Kiez. Fleischgewordene Anrüchigkeit, Exotik und Erotik auf über zwei Meter Lebensgröße. Ein Marketingtraum für jeden Tourismusmanager. "Das Projekt Olivia Jones läuft besser denn je", sagt Valery Pearl, ebenfalls Travestie-Sternchen aus Hamburg. Die nach eigenen Angaben für immer 25-Jährige kennt Olivia Jones aus der Szene. Und auch ihr Imperium.
Den Anfang machte der damals 20-jährige Oliver alias Olivia Jones 1989 in Hamburg. Inzwischen zählen eine Bar, ein Strip-Club nur für Frauen und ein weiterer Club zu ihrem Reich. Die Läden liegen auf der Großen Freiheit, in traditionsreichen Häusern, wo bereits die Beatles auftraten. Heute schwemmen Touristenmassen durch die schmale Straße mit der schrillen Beleuchtung. Die Medien schätzen ihren Jahresumsatz auf eine halbe Million Euro. Doch Hamburger Clubbetreiber vermuten, dass sie deutlich mehr verdient. "Ich glaube, die Clubs sind seine Altersvorsorge", sagt Valery Pearl. Darüber hinaus veranstaltet Olivia Jones Kiez-Führungen mit jovialen Scherzen und kleinen Schnäpschen. Für die über 700 Touren jährlich hat sie ein Team: Stripperinnen, Paradiesvögelchen und ehemalige Zuhälter machen bis zu sechs Touren am Abend. Eine kleine, schrille Familie. "Wir haben sie schon immer 'Muddi' genannt", sagt Olivias Assistent Sven Florijan. "Wir sind wie die Wollnys vom Kiez."
Wer unbedingt die sündige Meile mit der "Muddi" entdecken will, muss geduldig sein. Bis in den Sommer sind die Touren ausgebucht. Florierende Clubs und lukrative Kiez-Touren: Die Unternehmerin Olivia Jones verdient prächtig. Aber warum dann in den Dschungel?
Königliche Gage für Käfer-Cocktails und Maden-Bäder
"Die macht das nicht für das Geld", sagt Valery Pearl. Laut "Bild"-Zeitung bekommen die Kandidaten im Busch bis zu 90.000 Euro für den Horrortrip. "Olivia Jones ist clever genug, um den Titel Dschungelkönig wirklich nutzen zu können", so Valery Pearl. Der Travestie-Künstler erwartet, dass einige der Dschungelkandidaten in den kommenden Wochen zu Dauergästen in Olivias Clubs werden - und das zieht Touristen an. Auch im TV geht es weiter, so Valery Pearl, beispielsweise als Sofa-Sitzerin in einer der kommenden Chart-Shows auf RTL.
Immer wieder zog es die Drag-Queen ins Fernsehen. Mal besuchte sie für die NDR-Satiresendung "Extra 3" eine Veranstaltung der NPD – mit züchtig geflochtenen Zöpfen und adretter Schuluniform. Mal zog Olivia Jones in den "Big Brother"-Container oder machte bei Wohnungssuchsendungen von Vox mit. Allerdings war die Kiez-Königin nie dauerpräsent im TV. "Das ist auch der Trick im Camp", sagt Valery. "Olivia Jones nervt nicht und lästert gut portioniert."
Mit Witz und Charme
Das sehen auch die Zuschauer so. Bis zu 48 Prozent Marktanteil hat die aktuelle Staffel. Es ist der dritte Anlauf für Olivia Jones. "Sie ist ein großer Fan des Dschungelcamps, hatte sich schon drei Mal freiwillig mit dem Satz 'Ich bin kein Star, lasst mich da rein' beworben", berichtet Sven Florijan. Mit einem speziellen Coaching hat sich die Drag-Queen auf die "grüne Hölle", wie sie sagt, vorbereitet. Zwei Stunden Sport am Tag und Hypnose-Sitzungen gehören zu ihrem Alltag. Sich auf all das Glitschige und Schleimige vorzubereiten, was RTL den mitunter abgebrannten C-Promis als Essen vorsetzt, ist wohl eh nicht möglich. Allerdings ist die Rolle, die Olivia Jones im Camp einnimmt, brillant inszeniert. "Er läuft nicht nackt durchs Camp und ist eben auch nicht der Typ, den kleine Mädchen süß finden. Dazu hat er die nötige Portion Dreistigkeit im Blut", sagt Valery Pearl.
Olivia Jones punktet mit Humor und ließ noch vor Start der neuen Staffel vermelden: "Ich kenne mich als St. Pauli Wirtin mit schrägen Vögeln, Z-Promis und Ungeziefer aus, habe Platzangst, Höhenangst, ekel mich vor Insekten und bin sexualverwirrt. Das Camp ist für mich eine Art öffentliche Gruppentherapie." Das hat Witz und Charme. "Es gibt derzeit keine Steigerung im deutschen Fernsehen zu Olivia Jones", sagt Valery. Es sei denn, der heimlich Wunsch von Olivia Jones würde wahr werden: "Ich weiß, dass sie gerne mal an der Seite von Markus Lanz im Jogging-Anzug von Cindy aus Marzahn 'Wetten, dass ..?' moderieren würde", verrät der "Kugelblitz von St. Pauli", wie Olivia ihren Assistenten Florijan gerne nennt. "Oder eine Neuauflage von 'Dinner für one' mit ihr als Miss Sophie. Für die Rolle als Butler James würde sich inzwischen ja Helmut Berger anbieten."