Apple TV+ "Slow Horses": Vom Mut, 2022 ausgerechnet eine Krimi-Serie zu streamen

Die "Slow Horses"-Hauptdarsteller bei der Premiere
Die "Slow Horses"-Hauptdarsteller:innen bei der Premiere. In der Mitte: Gary Oldman
© Ian West / Picture Alliance
Krimis kennen wir aus dem Vorabendprogramm der Öffentlich-Rechtlichen, sie sind meist ebenso belanglos wie beliebt und für Zuschauer unter 40 in der Regel eher unsexy. Die Serie "Slow Horses" bei Apple TV+ versucht, das zu ändern.

Netflix, das haben die meisten von uns abonniert. Manche sicher auch Amazon Prime, um sympathische Erfolgsserien wie "Mrs. Maisel" oder "Clarksons Farm" zu sehen. Oder Disney+, für die diversen "Star Wars"-Spin-Offs. Aber Apple TV+? Geben Sie's zu, Sie hatten vermutlich nicht einmal auf dem Zettel, dass auch dort inzwischen ein Streaming-Angebot existiert. Und ja, natürlich ist es irgendwie ärgerlich, sich zwischen all diesen Anbietern entscheiden zu müssen. Dennoch: Sie sollten Apple TV+ zumindest mal einen Blick widmen – denn dort geht man die Serienproduktion gerade mit erstaunlichem Ehrgeiz an.

Kürzlich endete dort etwa die erste Staffel des Überraschungserfolgs "Severance", einer fabelhaft besetzten und hochgradig ästhetisch gefilmten Thriller-Serie mit Spannung, Witz und Wärme. Regie führte Ben Stiller. Derzeit läuft das zweite Prestige-Projekt des Konzerns: "Slow Horses". Und an dieser Krimi-Serie ist ebenfalls vieles so ungewöhnlich, dass es eine echte Freude ist, zuzusehen.

"Slow Horses": Spionage-Krimi, aber in sexy

Krimi? Ist das nicht irgendwie angestaubt? Und dann spielt das auch noch in London, im Spionage-Milieu, und die Hauptfigur ist ein knarziger, ungehobelter Typ (Gary Oldman) im schmuddeligen Trenchcoat. Klingt alles irgendwie, als hätte es sich jemand in den 70ern ausgedacht, oder? Genau. Aber damit spielt die Show, lässt einige unterhaltsame Klischees durchgehen, wiegt sie anderswo mit eleganter Zeitgeistigkeit wieder auf. Und setzt tatsächlich neben warmherzig erzählten menschlichen Konflikten auf echte Spannung, wie sie "Tatort"-Zuschauer schon lange nicht mehr kennen.

Im Mittelpunkt steht ein Team von Mitarbeitern des Geheimdienstes MI5, die jeder auf seine Weise durch einen Fehltritt in Ungnade gefallen sind und nun in einer schäbigen Außenstelle abseits des wirklich relevanten Geschehens dröge Büroarbeit verrichten müssen. Da sie im "Slough House" ihren zermürbenden Dienst verrichten, hat man ihnen den abfälligen Spitznamen "Slow Horses", lahme Gäule, verpasst. Doch plötzlich werden auch die abgeschobenen Außenseiter wieder in die hitzigsten Spionageaktivitäten verwickelt – als die Chefin des MI5 sich bei einem doppelten Spiel übernimmt und der Neffe eines ausländischen Diplomaten in Lebensgefahr gerät.

Als Zuschauer muss man aufmerksam bleiben

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"Slow Horses" spielt auch insofern mit den Erwartungen, als dass hier nichts "slow", also langsam, erzählt wird. Als Zuschauer muss man aufpassen und aufmerksam bleiben und auch hinnehmen, dass einem nicht jede Figur direkt am Anfang ausführlich vorgestellt wird. Man muss mitdenken, ähnlich auf dem Sprung sein wie die Charaktere. Hier treiben vor allem der gewissenhafte junge River Cartwright (Jack Lowden) und sein missmutiger Chef, Jackson Lamb (Oldman), die Handlung voran. Auf der anderen Seite steht MI5-Chefin Diane Taverner (Kristin Scott Thomas) – und alle versuchen, den jungen Hassan Ahmed (Antonio Aakeel) zu retten.

Das einzige, was man – mit viel Mutwillen – kritisieren könnte, ist der Charakter des Jackson Lamb, der in den ersten paar Folgen wie ein trinkender, rülpsender, pöbelnder Fremdkörper innerhalb des spannenden Geschehens wirkt. Bis er schließlich selbst zur handelnden Figur werden darf und sich plötzlich alles ganz prächtig zusammenfügt. Ansonsten ist es eine wirkliche Freude, zuzuschauen und die Entschlossenheit und Stilsicherheit der Serienmacher anzuerkennen.

Mit der bisherigen Reaktion des Publikums war man bei Apple TV+ offenbar zufrieden – gerade wird eine zweite Staffel gefilmt. Wie sicher man sich war, dass gut gemachte Produktionen auch erfolgreich sein werden, zeigt übrigens noch ein weiteres Detail: Der Titeltrack zu "Slow Horses", das schmutzig-bluesige "Strange Game", wird von niemand anderem als Mick Jagger gesungen, der den Song exklusiv für die Serie aufnahm.

"Slow Horses – Ein Fall für Jackson Lamb" wird bei Apple TV+ gestreamt

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