"Polizeiruf 110" aus München Lustvolle Reise nach "Wokistan": Johanna Wokaleks starkes Debüt

"Polizeiruf 110: Little Boxes"
Kriminalhauptkommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Kriminaloberkommissar Otto Ikwuakwu (Bless Amada) müssen in diesem "Polizeiruf 110" den Mord an einem wissenschaftlichen Mitarbeiter aufklären.
© Ariane Krampe Filmproduktion/BR/Hendrik Heiden / ARD
Johanna Wokalek tritt ihren Dienst an im "Polizeiruf 110" - und lässt gleich in ihrem ersten Einsatz ihre Stärken aufblitzen: Der Fall offenbart Humor und scheut auch vor der Auseinandersetzung mit aktuellen Themen nicht zurück.
  • 5 von 5 Punkten
  • Starker Einstand von Johanna Wokalek als "Polizeiruf"-Ermittlerin - der vor allem vom Drehbuch lebt.

Worum geht's?

"Rapist" steht auf der Leiche geschrieben, die in München aufgefunden wird. Der Tote war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Postcolonial Studies - doch war er auch ein Vergewaltiger? Das versucht Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) zusammen mit ihrem Kollegen Otto Ikwuakwu (Bless Amada) herauszufinden. Doch die Mitarbeiterinnen an der Universität lehnen die Zusammenarbeit mit der Polizei rundheraus ab. In mühsamen Einzelbefragungen kommen die Ermittler der Lösung nur schrittweise näher.

Warum lohnt sich dieser "Polizeiruf 110"?

Dass sich endlich auch mal ein Krimi mit dem beschäftigt, was man neudeutsch als "woke" bezeichnet, war überfällig. In "Little Boxes" wird das akademische Milieu der Postcolonial und Gender Studies humorvoll aufgespießt. Da sind Studierende, die weiße Menschen grundsätzlich des Rassismus verdächtigen. Eine genderfluide Lehrkraft, die mit Professx angeredet werden möchte und einvernehmlichen Sex zwischen Mann und Frau "unter patriarchialen Bedingungen" für grundsätzlich unmöglich hält. Sogar die Polizeidienststelle ist von dem Zeitgeist erfasst und verlangt ein anderes "Wording": "Wir sagen nicht mehr Täter, wir sagen jetzt Tatperson."

Der Kniff dieses von Stefan Weigl ("Zeit der Kannibalen") geschriebenen Films: Es ist der Schwarze Otto Ikwuakwu, der die Fokussierung der Forschung auf Diskriminierung ablehnt. "Ausbeutung, Völkermord, Genitalverstümmelung, Burka – alles sekundär. Hauptsache, keiner benutzt das N-Wort", sagt der Ermittler, der es ablehnt, ständig als Opfer gesehen zu werden. "Manchmal ist es kein Rassismus. Manchmal ist es bloß Dummheit", so seine Erfahrung.

Was stört?

Bei aller gewollt humoristischen Überzeichnung: Dass die Rassismus- und Genderforschung verdienstvoll ist und wichtige Erkenntnisse für den täglichen Umgang in einer multikulturellen Gesellschaft bereitstellt, geht hier manchmal etwas verloren. Es dominiert die Perspektive der weißen Mehrheitsgesellschaft. Da geht der Satz einer schwarzen Studentin fast unter, die zu Kommissarin Blohm sagt: "Wollen Sie mal einen Tag in meinem Körper verbringen? Ich wette, Sie würden sich nach einer halben Stunde erschießen."

Die Kommissarin?

Es ist alles andere als Liebe auf den ersten Blick: Cris Blohm möchte keinen Partner, kommt sie doch mit dem gemütlichen Dennis Eden (Stephan Zinner) bestens klar. Otto Ikwuakwu ist dagegen kühl und distanziert und beharrt auf dem förmlichen Sie. "Ich mag Menschen, die keinen Humor haben", behauptet Blohm - und versucht das Eis zu brechen. Was ihr beinahe gelingt.

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Ein- oder ausschalten?

Von diesem "Polizeiruf"-Team können wir noch einiges erwarten. Das Debüt sollten Sie auf keinen Fall verpassen!

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