Vielleicht hätte sich der WDR doch ein bisschen mehr Zeit nehmen sollen, also ungefähr zwei oder drei Jahre, um einen angemessenen Nachfolger für Frank Plasberg zu finden. Der moderiert seinen WDR-Talk "Hart aber fair" bekanntlich seit vergangener Woche im Ersten und hat im dritten Programm seines Haussenders eine tiefe Lücke hinterlassen. Die soll nun Gerhard Delling schließen. Das lässt sich wohl als mutiges Unterfangen bezeichnen, denn als großer Talker oder investigativer Interviewer ist der Mann, der sonst immer Günter Netzer an der Backe kleben hat, bisher noch nicht aufgefallen. Jetzt hat Delling seine erste eigene Talk-Magazin-Gemischtwarensendung im WDR. Sie heißt "Dellings Woche", soll eine Art Wochenrückblick sein und war zum Auftakt am Mittwochabend eine herbe Enttäuschung.
Auch wenn die Bezeichnung "Wochenrückblick" das suggeriert: mit Aktualität hatte "Dellings Woche" rein gar nichts zu tun. Es sei denn, man zählt den Auftakt von Gerichtsverhandlungen zu Mordprozessen und die Bewältigung von Schicksalsschlägen durch die Veröffentlichung von Büchern dazu. Jedenfalls saß Delling mit einem jungen Mann im Studio, der in einer Justizvollzuganstalt arbeitete, bis einer der Männer, die er betreut hatte, wenige Wochen nach der Freilassung seiner Ehefrau auflauerte und sie ermordete.
Pflaster-Erfinder - ist ja toll!
Das ist nicht der leichteste Einstieg in ein neues Magazin, das "auf unterhaltsame Weise Themen aufgreifen will, die vor allem das Publikum in NRW bewegen", wie der WDR für "Dellings Woche" wirbt. Aber es wäre okay gewesen - wenn Delling sich ein bisschen was bei Günther Jauch abgeschaut hätte, der solche schwierigen Gespräche mit der entsprechenden Einfühlsamkeit zu meistern weiß. Hat er aber leider nicht, und ist seinem Gast stattdessen im selben Tonfall wie nach einem x-beliebigen Länderspiel mit Fragen dazwischen gegrätscht, um nach einer Viertelstunde ohne mit der Wimper zu zucken zum nächsten Thema überzuleiten: "Dellings Woche" sucht den "Erfinder des Jahres"! Ja, Mensch, sowas bewegt die Leute in NRW!
Als Unterstützer war Friedhelm Limbeck geladen, Vorsitzender des größten deutschen Erfinderclubs in der Eifel, der auch gleich zwei seiner Knallererfindungen parat hatte: ein Pflaster ohne Chemie und ein Harn-Inkontinenzband. Das sah aus - nun ja, wie ein Gummiband. Und das Pflaster - wie ein Pflaster eben. "Gut, das sieht jetzt aus wie jedes andere Pflaster", musste auch Limbeck eingestehen, und Delling entgegnete: "Ist ja toll."
Toll war auch, wie "Dellings Woche" gleich in der ersten Sendung einen ganz großen Skandal aufdeckte: Die Bewohner des kleinen Örtchens Bandorf, das übrigens in Rheinland-Pfalz liegt, haben kein DSL. Ein Bandorfer hat erzählt, wie doof das ist, und Delling hat dem eingeladenen Telekom-Sprecher so sehr zugesetzt, dass der eingestehen musste: Ja, das Neubaugebiet kann derzeit nicht versorgt werden, worunter momentan 80 Kunden zu leiden haben. Vorher hat er aber noch erzählt, wie toll viel Geld sein Unternehmen sonst in den Ausbau der Leitungen investiert, und am Ende dem enttäuschten Kunden erzählt: "Versprechen will ich Ihnen heute nichts."
Von allem ein bisschen
"Dellings Woche" ist also kurz gesagt eine ganz merkwürdig unentschlossene Sendung, bei der die Themen nicht so recht zueinander passen und keine erkennbar aktuelle Relevanz besitzen. Sie ist nicht Talk, nicht Verbrauchermagazin, nicht Unterhaltung, sondern von allem etwas. Na gut, was soll's. Richtig peinlich sind hingegen die handwerklichen Fehler, die der Redaktion unterlaufen sind. Beim Gespräch über die Wiedereingliederung von ehemaligen Sexualstraftätern in die Gesellschaft erklärte ein Buchautor aus Düsseldorf: Wenn sich Gutachter nicht sicher sind, ob so ein Straftäter rückfällig werden könnte, müsse man auch den Mut haben, ihn nicht wieder einfach so zurück zu schicken. Die Redaktion hatte kurz zuvor unter seinem Namen ein Statement mit dem exakten Gegenteil eingeblendet: "Im Zweifelsfall für den Angeklagten."
Trauriger Höhepunkt der Sendung war zum Schluss aber Dellings Diskussion mit der Anwältin Gülsen Celebi, die sich für türkische Frauen in Deutschland einsetzt, die sich aus Ehen lösen möchten, in denen sie unterdrückt werden. Delling fragte: "Hat ihr Job auch was damit zu tun, dass Sie in der Türkei geboren sind und diesem Dilemma entkommen sind?" - "Ich bin nicht in der Türkei geboren, sondern in Düsseldorf", sagte Celebi daraufhin etwas irritiert, "und ich war nie in einer solchen Situation." Und Delling rechtfertigend: "Aber Sie haben keinen ganz echten Düsseldorfer Namen."
Spätestens an diesem Punkt wäre es Zeit gewesen, ganz schnell abzuschalten. Kurz danach lief ja auch schon der Abspann, vielleicht der kürzeste, den es im deutschen Fernsehen gibt, mit fünf Zuständigen für Produktion, Regie und Redaktion. Lieber WDR, sag doch was, wenn du finanzielle Probleme hast. Unter solchen Bedingungen lassen wir dir die Gebührenerhöhung natürlich gerne durchgehen - Hauptsache, sowas wie "Dellings Woche" passiert nicht noch einmal.