ZDF-Film "München 72 - Das Attentat" Chronik eines angekündigten Massakers

Elf israelische Sportler sind 1972 bei den Olympischen Spielen in München von einem palästinensischen Terrorkommando ermordet worden. Wie der ZDF-Film "München 72" einen gelungenen Thriller aus der Katastrophe gemacht hat.

Der Trailer schreit nach einem Jack Bauer. Terroristen, Geiseln, Notstand und Heino Ferch mit Bad-Cop-Sonnenbrille, der zum Geiselnehmer sagen darf: "Ihnen muss doch klar sein, dass Sie hier nicht lebend rauskommen." Dann fliegen die Fetzen. Dass es am 6. September 1972 ganz reale Menschenfetzen waren, lässt der Trailer in seiner Acrionthrilleroptik fast außen vor. Doch spielt Ferch in diesem Film keinen Helden, sondern einen tragischen Versager weltpolitischen Ausmaßes. Das ZDF hat sich des Massakers von München angenommen. "München 72 - Das Attentat" erzählt als "erster Fernsehfilm aus deutscher Sicht" (Pressetext) von diesem Geiseldrama, das in den Morgenstunden des 5. September 1972 im Olympischen Dorf seinen tragischen Anfang nahm.

Das Thema München 1972 ist ein Balken im Rachen der deutschen Geschichte nach 1945, der erfolgreich ignoriert wird, da ja schon die Shoah für chronisches Würgen sorgt. 36 Jahre nach den Olympischen Spielen in Nazi-Berlin, 27 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, bekam Nachkriegsdeutschland eine Chance, sein neues demokratisch-friedvolles Gesicht zu zeigen. Doch aus den Spielen in München - Motto: "Zu Gast bei Freunden" - wurde ein "erschreckendes Dokument deutscher Unfähigkeit" (Bundeskanzler Willy Brandt), als acht palästinensische Terroristen die israelische Olympiamannschaft überfielen und als Geiseln nahmen.

Die deutschen Sicherheitskräfte waren komplett überfordert, eine Fehlentscheidung folgte der nächsten. Am Ende starb jeder einzelne Israeli. Und es ist nicht einmal sicher, ob es nicht auch deutsche Kugeln waren in diesem Chaos am Flughafen Fürstenfeldbruck. "Unsere Mannschaft ging nach München unter der Voraussetzung, dass das Gastgeberland für ihre Sicherheit sorgen würde, wie es auch für die Sicherheit aller anderen Teilnehmer dieser riesigen internationalen Versammlung eintreten würde. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Die Verantwortung liegt bei den westdeutschen Behörden", kommentierte die israelische Zeitung "Haaretz" damals sehr sachlich.

"The games must go on"

Doch nach einem Tag Unterbrechung gingen die Olympischen Spiele weiter. Wie die Show müssen eben auch die "Spiele weitergehen", wie IOC-Präsident Avery Brundage damals klarmachte. "Nach dem Tod der elf israelischen Sportler wurden die 'heiteren Spiele' fortgesetzt, als wäre ein Lieferwagen mit Leberkäse auf dem Weg zum Olympiapark verunglückt. (...) Danach ging es nur noch um die Frage, ob die Bundesrepublik 'Schadenersatz' an die Angehörigen der Opfer zahlen sollte", fasst Henryk M. Broder das Massaker von München in seinem neuen Buch zusammen. Mit der Aussage, dass die Angehörigen der auf deutschem Boden ermordeten Israelis 30 Jahre lang kämpfen mussten, bis schließlich rund drei Millionen Euro gezahlt wurden, von denen nach Abzug der Gerichtskosten eine Million übrigblieb, endet auch der ZDF-"Fernsehfilm der Woche", der an diesem Montagabend gezeigt wird.

Und es ist ein guter Film geworden.

Anders als der Trailer verzichtet "München 72" auf das Reißerische. Herausgekommen ist ein dichter, intensiver, an amerikanische Filme erinnernder menschelnder Thriller, ein Puzzle aus Einzelschicksalen, das die Katastrophe zusammensetzt. Mal leicht, mal unerträglich schwer. Angemessen. Eine junge Polizistin (ausgezeichnet: Bernadette Heerwagen, die zuletzt in "Die kommenden Tage" beeindruckte) kommt nach München, um als eine von rund 4000 unbewaffneten Beamten auf dem Olympiagelände für Sicherheit zu sorgen. Diese Anna Gerbers ist der realen Anneliese Graes nachempfunden, die damals für die deutschen Behörden mit den Terroristen im Kontakt stand. Aus reinem Zufall, weil sie gerade vor Ort war und Englisch sprach.

Anna Gerbers und Ankie Spitzer

Gerbers Gegenstück ist Ankie Spitzer, die unglaublich charakterstarke Frau von André Spitzer, dem Trainer der israelischen Fechtmannschaft, die mit ansehen musste, wie ihr Mann gekidnappt und ermordet wird. Neben dem schon erwähnten Ferch, der den Polizeipräsidenten Dieter Waldner als einen beratungsresistenten Macho spielt, kommt dem damaligen Innenminister Hans-Dietrich Genscher (Stephan Grossmann) geradezu eine Heldenrolle zu, weil er in seiner Hilflosigkeit Menschlichkeit bewahrt.

Immer wieder mischt der intensiv recherchierte Film Realität und Fiktion, doch ohne die Geschichte entscheidend zu verändern. Er habe nach dem "Warum" fragen wollen, hat Regisseur Dror Zahavi ("Die Luftbrücke", "Mein Leben – Marcel Reich-Ranicki") immer wieder gesagt. Ihm gehe es nicht um eine Stellungnahme zum Nahostkonflikt, sondern um die deutschen Versäumnisse. Schließlich zeigt Polizistin Gerbers als große Sympathieträgerin des Films die Absurdität aller politischen Ausführungen, als sie den Terroristenanführer (Shredi Jabarin) unterbricht und zurechtweist: "Sie dürfen das nicht. Sie dürfen nicht hierherkommen und Menschen töten."

Überhaupt tragen die Frauen diesen Film. Am Ende - als die Katastrophe geschehen ist und die Aufmerksamkeit sich schon wieder andere Opfer sucht - treffen Gerbers und Spitzer schließlich aufeinander. "Ich werde dafür sorgen, dass irgendjemand die Verantwortung übernimmt", sagt die Witwe. Gerbers nickt vollen Bewusstseins der versäumten Verantwortung, die gerade elf Israelis und einen deutschen Polizisten das Leben gekostet hat.

Der andere Film

Fünf der acht Attentäter waren im Feuergefecht am Flughafen umgekommen. Ihre Leichen wurden nach Libyen überführt, wo sie als Helden bestattet wurden. Die drei überlebenden Terroristen blieben keine zwei Monate in Haft. Nach der ominösen Entführung einer Lufthansa-Maschine mit nur elf ausschließlich männlichen Passagieren an Bord, am 29. Oktober 1972, einigte sich die deutsche Regierung mit den Entführern in Damaskus erstaunlich schnell und ohne Konsultation Israels auf deren Freilassung.

Israels damalige Premierministerin Golda Meir schaltete daraufhin den israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad ein. Aber das ist ein anderer Film.

"München 72 - Das Attentat", am Montag, den 19.3, um 20:15 Uhr im ZDF

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