"Is' er dat?", fragt eine Frau aufgeregt. Sonntagvormittag in der Altstadt von Köln. Die Höhner hallen über den Alter Markt. "Mer stonn zo dir, FC Kölle" und andere kölsche Lieder erklingen aus einem Lautsprecher, der den Platz beschallt. Davor haben sich hunderte Menschen versammelt. Sie schunkeln nicht, nein, sie stehen geduldig Schlange. Heute nicht für ein Kölsch, sondern für eine andere Kölner Institution. "Ja, dat isser", antwortet der Begleiter der Frau in bedächtigem Ton - fast so, als wäre der Heiland persönlich nach Kölle gekommen. "D'r Poldi is' he."
Lukas Podolski ist in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Dieses Mal nicht zum Fußball spielen, sondern um seinen ersten Modeladen zu eröffnen. Punkt 12 Uhr begrüßt der Weltmeister die ersten Kunden in dem kleinen Geschäft auf dem Alter Markt. Dort werden künftig T-Shirts, Basecaps und Accessoires seines Labels "Strassenkicker" verkauft. Geduldig widmete er sich seinen Fans, die seit dem frühen Morgen auf ihr Idol gewartet haben. Der 30-Jährige schreibt Autogramme, kommt jedem Selfie-Wunsch nach, nimmt kleine Kinder auf den Arm. Poldi zum Anfassen.
"Das lässt er sich natürlich nicht nehmen", sagte sein Manager Nassim Touihri dem stern. Podolski ist für die Eröffnung extra aus Istanbul angereist. Am Samstagabend stand er noch für seinen Verein Galatasaray auf dem Platz, am Montag geht es weiter zur Nationalmannschaft. Dazwischen erfüllt Poldi sich und den Kölnern einen Herzenswunsch. Mitten in seiner Stadt, zwischen Dom und Rhein, wird er ab sofort vertreten sein. Der verlorene Sohn kehrt heim. Zwar nicht zum FC, aber immerhin mit seinem Shop.
Poldi ist zu jedem nett - auch nach Stunden
"Wir warten seit drei Stunden", sagt ein Fan im Gedränge auf dem Alter Markt, der bereits ein "Strassenkicker"-Shirt trägt. Was er dann noch im Shop will? "Vielleicht noch eines kaufen. Und Poldi sehen." Wie sehr sie Podolski lieben, daran lassen die Kölner keinen Zweifel. Der kölsche Jung weiß das - und gibt gerne zurück. Mehr als vier Stunden arbeitet er sich an der Fanliebe ab. Mit schwarzer Kappe und einem Poldi-Shirt mit dem Aufdruck "University of Straße" - beides aus seiner Kollektion - steht er in dem gerade mal 30 Quadratmeter großen Laden. Hände schütteln. Schulter klopfen. Autogramm. Selfie. Die Prozedur ist immer gleich.
Nervt das nicht? "Die Fans waren mir immer wichtig", sagt Podolski dem stern. Zwar könne er nicht immer jeden Wunsch erfüllen, er versuche aber, ihnen nahe zu sein. "Früher stand ich selber im Stadion in der Südkurve, war selber Fan. Ich weiß, wie die sich fühlen." Dass sein erster Laden nun in Köln entstanden ist, freut Podolski. "Hier habe ich auf Wiesen oder auf dem Asphalt Fußball spielen gelernt. Und das passt, weil meine Mode auch in erster Linie Streetwear ist", erklärt er. Der Laden passe gut zum Alter Markt - und zu ihm. Zu Karneval sei er meist unterwegs. "Jetzt bin ich mittendrin im Herzen des Karnevals."
Ein bisschen Zufall ist der Shop mitten in der Altstadt schon. Jahrelang stand die Ladenzeile in Haus Nummer 24 leer. BisMarkus Krampe kam. Der 45-Jährige mit der blonden Fönfrisur ist vielen Nicht-Kölnern vor allem als "Manager vom Wendler" bekannt. Inzwischen gehen die beiden getrennte Wege, dem Schlagerbusiness ist Krampe aber verbunden geblieben. Er betreut Stars wie Michelle oder Ex-"DSDS"-Teilnehmer Norman Langen - und ist ein Freund von Lukas Podolski. Als Krampe nun das benachbarte Brauhaus als Pächter übernahm, entstand die gemeinsame Idee, daneben einen "Strassenkicker"-Store zu eröffnen.
Jetzt steht Poldi im fertigen Laden. Stolz wie nach einem Derby-Sieg. Auch auf seine Kollektion, die es bislang nur im Internet zu kaufen gab. Mit einer Camouflage-Kappe mit dem "Aha"-Schriftzug fing im vergangenen Jahr alles an. Poldi trug das Einzelstück bei der Weltmeisterschaft in Brasilien. Die Nachfragen danach waren so groß, dass sich daraus sein eigenes Modelabel entwickelte. "Viele Ideen von mir stecken hier drin", erklärt er seine Kollektion, die zum größten Teil aus T-Shirts mit Schriftzügen wie "Home is, where the Dom is" für 29,90 Euro oder Mützen mit dem Poldi-P oder "Aha" (ca. 25 Euro) bestehen. "Das ist wie bei der Musik. Man schnappt irgendwo was auf, auf Reisen oder im Hotelzimmer, und dann versucht man, das aufs Papier zu bringen, und daraus entsteht eine Idee." Weitere Shops hat er vorerst nicht geplant. "Jetzt schauen wir mal, wie's hier läuft."
Nur die Poldi-Statue fehlt noch
Am Eröffnungstag läuft es sehr gut. Um kurz nach 16 Uhr zieht sich Podolski zu seinem Freund Krampe in die Brauerei zurück. Er hat Hunger. Doch zum Essen kommt er nicht. Auch hier wollen alle ein Autogramm mit ihm. Poldi muss Hände schütteln, schnell ein Foto mit Michelle, dann Eintrag ins Gästebuch. Nicht mal für seinen Freund, den Boxer Felix Sturm, der auch zur Eröffnung gekommen ist, hat er Zeit. Um 16.37 Uhr ist Schluss. Podolski verlässt das Lokal durch den Hinterausgang. Vorne vor seinem Laden drängeln sich noch immer die Fans - obwohl sie wissen, dass ihr Poldi weg ist. Viele sind froh, dass sie endlich einen Ort gefunden haben, an dem sie ihrem Idol huldigen können. Der "Strassenkicker"-Store ist Kölns Gedenkstätte für Poldi in absentia. Nur die Statue vor der Tür fehlt. Noch.