Weihnachten am Ort meiner Kindheit Zwischen Vorfreude und Unbehagen - Weihnachten in der alten Heimat

Seit Tagen hat sich unsere Redakteurin gefreut, zu ihrer Familie zu fahren, Weihnachten in der Heimat. Doch dann ist plötzlich alles anders. Der Dialekt, die Enge der Kleinstadt – gehört sie hier überhaupt noch dazu?

Um mich herum ist es still geworden. In meinem Abteil sitzt jetzt nur noch eine Gruppe älterer Herren aus der Schweiz. Vor acht Stunden sah das noch ganz anders aus: Hamburg-Hauptbahnhof. Das Gleis voller Menschen, die sich mit ihren Koffern und mit Tüten voller Weihnachtsgeschenke darum stritten, wer zuerst einsteigen darf. Ebenso war es in Hannover, Frankfurt, Stuttgart. Nun sind die meisten Mitreisenden bereits ausgestiegen, während ich weiter muss, sind sie angekommen.

Doch bald bin auch ich da. Als sich die Bahn durch die Höhen des Schwarzwaldes schlängelt, beginnt mein Bauch zu kribbeln. Freude. Vorfreude auf meine Familie, Freunde, den Blick auf den See, die Alpen – auf meine Heimat. Neun Stunden Zugfahrt liegen zwischen meinem Zuhause, der norddeutschen Großstadt, und dem kleinen Dorf am Bodensee. Neun Stunden, in denen aus Moin wieder ein Mischmasch aus Schwäbisch, Badisch und Schweizerdeutsch wird. Fischbrötchen und Labskaus werden durch Spätzle mit Soß' ersetzt. Eine erwachsene Frau mutiert in Nullkommanichts zum Kind.

Gemischte Gefühle

Das Kribbeln im Bauch bleibt. Zu der Vorfreude gesellt sich Unbehagen. Der Dialekt des Bahnpersonals, die vertraute Zugstrecke, die Landesidylle hinter der Glasscheibe. So sehr ich mit all dem auch Heimat verbinde, so sehr ich mich, wenn ich in Hamburg bin, darauf freue, so sehr engt es mich ein.

Hier scheint die Welt stillzustehen. Alles ist wie immer. Zumindest scheint es so. Für mich. Die Fremde in der eigenen Heimat.

Die Ankunft

Kein Ort ist mir vertrauter als dieser. Nirgendwo habe ich in meinem Leben bisher länger gewohnt als hier. In keiner Stadt wohnen so viele für mich wichtige Menschen, mit keiner verbinde ich so viele Erinnerungen. Hier sind meine Wurzeln. Und doch gehöre ich hier nicht mehr hin.

Der Zug hält. Ein Blick nach rechts. Und da liegt er, der See. Ich bin angekommen. 

Lesen Sie morgen Teil 2: Und plötzlich ist man wieder Kind

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