Für abgedrehte Geschichten an ungewöhnlichen Orten hat Filmemacher Veit Helmer ein Faible: "Tivalu" erzählte die Geschichte eines fast verlassenen Schwimmbades irgendwann und irgendwo zwischen Europa und Asien. In "Absurdistan" ließ der deutsche Filmemacher die Frauen in einen Sexstreik treten, um ihre Männer zur Reparatur der Wasserversorgung des Dorfes zu bewegen. Und in "Baikonur" sind es nun die kasachische Steppe, der russische Raumfahrtbahnhof und ein vom Himmel gefallenes Dornröschen - gewohnt schräg und dabei poetisch.
Der Funker Iksander (Alexander Asochakov), genannt Gagarin, lebt in einem kleinen Dorf unweit des legendären Baikonur mit dem russischen Weltraumbahnhof. Dort hört er über Funk, wann die Raketen starten, und rechnet dann genau aus, wann der erste Schrott wieder herunter fällt. Denn die Menschen in dem kleinen Dorf leben davon, die Raketenteile gegen Lebensmittel einzutauschen. Vor allem aber träumt Gagarin von einer Karriere als Kosmonaut und von der großen Liebe. Letztere hat er eigentlich schon gefunden, in der schönen französischen Weltraumtouristin Juli (Marie de Villepin), die er im Fernsehen gesehen hat. Und da fällt sie ihm plötzlich vor die Füße, bewusstlos und direkt aus dem All.
Gagarin bringt sie in seine Jurte und versucht sie dort wach zu kriegen, nicht ohne die blonde Fee vorher aus ihrem Weltraumanzug zu schälen und in das reichlich mit Blumenranken verzierte Kleid seiner verstorbenen Mutter zu hüllen. Spätestens da ist die Dornröschen-Analogie nicht mehr zu übersehen. Nach mehrmaligen Versuchen gelingt es ihm, sie wach zu küssen. Da sie sich an nichts erinnert, erzählt er ihr, sie sei seine Verlobte. Doch der Schwindel fliegt schnell auf. Wütend verlässt Juli das Dorf und Gagarin, der schon wenig später in Baikonur anheuert, um seiner Angebeteten nah zu sein. Dort angekommen, weiß er gar nicht mehr so genau, wohin er gehört und was er eigentlich will.
Weltraummärchen unter Kitschverdacht
Veit Helmer setzt die schlichte, karge Welt der Steppe, in der die Menschen einfach, aber glücklich leben, gegen die kühle Weltraumtechnik. In schönen, langsamen Bildern erzählt er die märchenhafte Geschichte, gerät dabei allerdings immer wieder allzu nah an Kitsch und Klischee. Hier die naiven, freundlichen und durchaus schlitzohrigen Kasachen in einem romantisierten ärmlichen Dorf, dort die kühl berechnenden Menschen der Zivilisation. Dabei scheint auch diese Geschichte, trotz Handy und Weltraumtourismus, seltsam aus Raum und Zeit gefallen zu sein.
Voller Poesie inszeniert Helmer diese völlig abgedrehte Geschichte, lässt Juli und Gagarin während einer Weltraumsimulation vor Sternenhimmel und unter Wasser ein kurzes Liebesgeplänkel erleben, gibt dieser Romanze durch die Absurdität der Geschichte und die liebenswerte Naivität der Kasachen durchaus seinen Reiz. Allerdings sind dafür 90 Minuten etwas sehr großzügig bemessen.
Helmer bezeichnete seine Romanze unlängst als eine Art Hommage an die sowjetische Raumfahrt. "Für viele im Westen beginnt ja die Eroberung des Weltalls erst mit der Mondlandung der Amerikaner 1969", sagte er. Die Verdienste Moskaus, etwa mit den Flügen des Sputnik 1957 und von Juri Gagarin 1961, dürften aber nicht vergessen werden. Immerhin schaffte der Regisseur es, als erster Künstler eine Drehgenehmigung in dem Weltraumbahnhof zu bekommen, und vereint eine internationale Crew vor und hinter der Kamera wie Marie de Villepin, die Tochter des ehemaligen französischen Premiers, als Dornröschen, die in Usbekistan bekannte Sängerin Sitora Farmonova und den jungen Schauspielschüler Asochakov. Das macht ihm so schnell keiner nach, einen derart skurrilen Film auch nicht.