Die Schauspielerin Natasha Richardson ist am Mittwochabend ihren schweren Verletzungen erlegen. Während einer privaten Anfänger-Skistunde im kanadischen Mont Tremblant war die 45-Jährige am Montag gestürzt. Eine vom anwesenden Skilehrer zu Hilfe gerufene Ski-Patrouille konnte nach Angaben der Sprecherin des Skigebiets, Catherine Lacasse, keine Verletzungen feststellen und brachte sie zurück ins Hotel. "Sie hat gelacht und Witze gemacht als sie zurück in ihr Zimmer gegangen ist", sagte Lacasse dem US-Magazin "People". Erst zirka eine Stunde nach dem Unfall habe Richardson über Kopfschmerzen geklagt und wurde anschließend in ein Krankenhaus im 130 Kilometer entfernten Montreal eingeliefert.
stern.de hat mit Professor Manfred Westphal vom Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf über Unfälle mit schweren Kopfverletzungen gesprochen.
Herr Professor Westphal, kann es sein, dass man eine tödliche Kopfverletzung erleidet und zunächst gar nichts davon bemerkt?
Ja. Es gibt Fälle, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, wo bei einem Unfall eine Schädelfraktur mit anschließenden Hirnblutungen auftritt, die Patienten selbst sich aber wohl fühlen und nicht über Schmerzen klagen. Plötzlich verschlechtert sich ganz schnell ihr Zustand und sie verlieren das Bewusstsein. Ärzte sprechen dann vom so genannten "Talk and die"-Syndrom.
Was ist das genau?
Es kommt zu Blutungen zwischen Schädeldecke und Hirnhaut, die unbemerkt bleiben. Das Gehirn wird dabei weggedrückt. Da sich immer mehr Blut ansammelt, hat das Hirn bald keine Ausweichmöglichkeiten mehr und wird zusammengepresst. Erst dann klagen die Patienten über Kopfweh oder Unwohlsein, schließlich kommen Übelkeit, Erbrechen und Bewusstseinsstörungen hinzu.
Wie lange kann es dauern, bis sich die Hirnblutung beim Patienten bemerkbar macht?
Mehrere Stunden.
Ist es dann schon zu spät, den Patienten zu retten?
Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Der Schädel ist ein in sich abgeschlossener Raum. Das eindringende Blut beansprucht zusätzlichen Platz, der jedoch begrenzt ist. Der dadurch ansteigende Hirndruck führt dazu, dass das Hirn selbst nicht mehr ausreichend durchblutet werden kann. Schließlich kommt es zum Funktionsverlust im Hirnstamm. Der Patient erleidet einen Kreislaufkollaps und die Atmung setzt aus. Der Patient kann nur noch künstlich am Leben gehalten werden.
Falls die Hirnblutung rechtzeitig bemerkt wird, wie wird der Patient dann behandelt?
Dem Patienten wird unter Vollnarkose mit einem Bohrer oder einer Säge der Schädel geöffnet. Der medizinische Fachausdrück dafür ist Kraniotomie. Ziel ist es, die Blutung und damit den Druck auf das Hirn zu entlasten. Anschließend muss sich der Patient in der Regel einer längeren neuro-intensiv-medizinischen Behandlung unterziehen. Dazu kann zum Beispiel ein künstliches Koma gehören, um dem Hirn Erholungszeit zu geben.
Wäre Frau Richardson sofort behandelt worden, wäre sie dann noch am Leben?
In Unkenntnis der konkreten Sachlage im Fall Richardson kann ich dazu nichts sagen. Das wäre reine Spekulation.
Hat die Ski-Patrouille, die Frau Richardson erste Hilfe geleistet hat, einen Fehler gemacht?
Auch dazu kann ich nichts sagen.
Was passiert bei Ihnen mit Patienten, die bei einem Unfall mit dem Kopf aufgeprallt sind, aber nicht über Beschwerden klagen?
Eine Hirnblutung ist von außen nicht zu erkennen. Deshalb wird bei solchen Patienten in der Regel eine Bildgebung des Schädels durchgeführt, in den meisten Fällen durch eine Computertomographie.
Kann ein Helm derartige Kopfverletzungen verhindern?
Sicherlich in beträchtlichem Ausmaß, aber nicht vollständig. Das kommt ganz auf den konkreten Unfallhergang an. Ein Beschleunigungs-Trauma durch eine plötzliche Bewegung ist auch mit Helm nicht zu verhindern.
Würden Sie die Einführung einer Helmpflicht beim Ski fahren befürworten?
Ich bin kein Skifahrer, glaube aber, dass ein Helm in den meisten Fällen sinnvoll wäre.