Am 15. Juli 1997 geschieht es. Jan Ullrich wird zum Liebling der Nation. Auf der 10. Etappe der Tour de France, hinauf nach Andorra-Arcalis, fährt "Ulle" allen davon. Der damals 23-jährige Rotschopf mit den Sommersprossen dominiert die 252,5 Kilometer lange Strecke, lässt seinen größten Rivalen und Teamkollegen Bjarne Riis hinter sich und holt sich das Gelbe Trikot des Führenden. Die französische Sportzeitung "L'Équipe" reiht ihn mit der Schlagzeile "Voilà le Patron“ in die Größen der Radsportwelt ein, und die italienische "Gazzetta dello Sport" titelt am nächsten Tag: "Ullrich il Kaiser“. Deutschland hat einen neuen Sporthelden. Einer, der fortan mit Boris Becker, Franz Beckenbauer oder Michael Schumacher in einem Atemzug genannt werden würde. Zwölf Tage später gewinnt Ullrich das härteste Radrennen der Welt - als erster und bis heute einziger Deutscher.
21 Jahre ist sein großer sportlicher Triumph inzwischen her. Vom Heldentum von damals ist nichts mehr übrig. Nach Dopingaffären und Alkoholfahrten dominiert der inzwischen 44-jährige Rostocker mit Skandalen die Schlagzeilen. Seine Fans sehen ihn immer tiefer fallen, müssen ertragen, wie aus ihrem einstigen Idol ein abgehalfterter Suchtkranker wird. Nach Ullrichs berauschter Auseinandersetzung mit Til Schweiger auf Mallorca titelt die Boulevard-Presse am Montag: "Ullrichs Drogen-Nacht im Luxus-Hotel". Kurz bevor der ehemalige Radrennprofi in Deutschland eine Therapie antritt, gerät der dreifache Vater in Frankfurt erneut außer Kontrolle. Es ist das vorläufig letzte Kapitel eines dramatischen Absturzes.

Jan Ullrich entkommt 2017 dem Gefängnis - und steigt wieder aufs Rad
Dabei schien es noch im vergangenen Jahr so, als könne Ullrich seinem Schicksal als gefallener Held entgehen: Ullrich muss nicht ins Gefängnis. Nach seiner Verurteilung in der Schweiz wegen einer Trunkenheitsfahrt kommt er mit einer Bewährungsstrafe davon. Er akzeptiert das Urteil. Längst wohnt Ullrich mit seiner Familie auf Mallorca - wegen des besseren Wetters: Am Bodensee sei im Herbst immer so viel "Nebel", sagt er dem stern zu dieser Zeit. Und wie es scheint, tut ihm der Ortswechsel gut.
Laut Staatsanwaltschaft von Weinfelden im Schweizer Kanton Thurgau, die Ullrichs Vermögensverhältnisse aufschlüsselt, nimmt er zu dieser Zeit als selbstständiger Unternehmer 6,5 Millionen Franken (rund 5,74 Millionen Euro) pro Jahr ein. Womit genau, ist unklar. Geschätzte 20 Millionen Euro verdiente UIlrich in seiner Zeit als aktiver Radrennprofi. 2012 schloss er mit Alpecin einen Werbevertrag ab, warb mit dem Spruch "Doping für die Haare" für Haarpflegeprodukte. Daneben macht Ullrich weiter das, was er am liebsten tut: Fahrrad fahren.
Für ein paar tausend Euro mit "Ulle" fahren
Mit dem Ruhm vergangener Tage macht Ullrich noch immer Geld. Seine treusten Fans können ihn in Trainings-Camps für Hobby-Fahrer buchen. "Champions-Training" oder "Away with the Champ" heißen die Events, bei denen Freizeitsportler "Lenker an Lenker mit Ulle" durch Südafrika, Colorado oder Mallorca touren dürfen. Die mehrtägigen Camps kosten zwischen 1500 und 5890 Euro. Offenbar ein einträgliches Geschäft. Noch im vergangenen April tourte Ullrich mit einigen Hobby-Sportlern durch Mallorca. Doch auch damit ist es jetzt vorbei.
Seine Such kostet Ullrich nicht nur ein einträgliches Business, sondern auch seine letzte Anerkennung. Bei den Hobby-Radtouren mit seinen Anhängern konnte er in alten Zeiten schwelgen. Für sie war er der Held von Alpe d'Huez. Der unrühmliche Teil seiner Vergangenheit wurde bewusst ausgespart. Ullrich konnte sich noch einmal als Held feiern lassen, von seinen großen Siegen erzählen. Auf einer Stufe mit Boris Becker und Franz Beckenbauer. Jetzt kann er seine Heldengeschichten in der Suchtklinik erzählen. Ein trauriger Niedergang.