Ende vorigen Jahres erhielt der Bürgermeister des friesischen Städtchens Makkum die Einladung, sich unverzüglich beim "Kommissar der Königin", dem Gouverneur der Provinz Friesland zu melden – und zwar möglichst unauffällig. In der Residenz des königlichen Statthalters in Leeuwarden erfuhr Theo Piersma den Grund für diese ungewöhnliche Geheimniskrämerei: Königin Beatrix hatte beschlossen, ihr Geburtstagsfest 2008 mit den Bürgern der friesischen Porzellanhochburg Makkum zu feiern.
Piersma erhielt die ehrenvolle Aufgabe, ein Programm zusammenzustellen, bei dem sich die Königin und ihre Familienangehörigen wohlfühlen würden. Keine Bitte, die auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Denn die Fürstin, die jedes Jahr ein oder zwei Kommunen aussucht, um diesen besonderen Tag im Kreise ihrer "Untertanen" zu verbringen, möchte nicht immerzu dasselbe Programm vorgesetzt bekommen. Um dem zu begegnen, legt sie Wert darauf, sich bei ihrem Besuch über die Sitten und Gewohnheiten der örtlichen Gemeinschaft zu informieren. Und das möglichst in fröhlicher und entspannter Atmosphäre. Die sonst eher förmlich auftretende Königin wird dann zu einer warmen Landesmutter. Zusammen mit ihrer Familie mischt sie sich "spontan-vorbereitet" unters Volk.
Nicht viel Zeit bis April
Das geschieht im Rahmen eines Drehbuchs, das die Tagesordnung präzise von Minute zu Minute festlegt. Erst als der inhaltliche Ablauf der Visite von Majestät abgesegnet war, durfte der Bürgermeister den Einwohnern die frohe Botschaft vom bevorstehenden Ereignis bekanntgeben.
Das war Anfang Januar. Bis April blieb dann nicht mehr viel Zeit. Außerdem fehlte es der Gemeinde an Spezialisten für die Bewältigung der komplizierten Logistik, sowie für Sicherheit und Öffentlichkeitsarbeit. Für diese Aufgaben stellte das Königshaus freundlicherweise eigene, erfahrene Bedienstete bereit, Hofdamen und Lakeien, die der Königin jeden Wunsch von den Lippen ablesen können. Sie wissen genau, was ihr Freude bereitet oder wann sie sich pudern oder die Hände waschen möchte.
Beste Städtewerbung
Sehr wichtig war die genaue Abstimmung der königlichen Aktivitäten mit den Möglichkeiten der Live-Fernsehübertragung. Denn an diesem besonderen Tag, dem "Koniginnedag", sitzen Millionen niederländische Zuschauer vor der Glotze und beobachten fasziniert, wie sich die Königsfamilie unters Volk mischt. Das ist auch der Grund, wieso die Kommunen so erpicht darauf sind, dass die Königin bei ihnen zu Gast ist. Eine bessere Städtewerbung kann man sich nämlich nicht wünschen.
Stundenlang werden die architektonischen oder andere nennenswerte Besonderheiten der Gemeinde einem Massenpublikum vorgeführt und prägen sich so dem Bewusstsein ein. Kurze Zeit später kommen dann jene begehrten Besucher, die auf den Spuren der Königin wandeln wollen, Königshauspilger mit gefülltem Portemonnaie. Da investiert man als Gemeinde doch gern ein paar Hunderttausende Euro ins königliche Geburtstagsfest.
Einladung zur Königin
Aber nicht nur Makkum feiert "Koninginnedag" – das ganze Land färbt heute "orange", die Hausfarbe der Oranier. Früher, unter der "Herrschaft" von Beatrix’ Mutter Juliana, lud diese an ihrem Geburtstag, dem 30. April, ausgewählte Untertanen in den Palastgarten ein, und diese marschierten brav winkend an der Herrscherin und allen Kindern und Enkelkindern vorbei, die sich auf der Treppe des Palastes versammelt hatten. Im ganzen Land wurden fröhliche Straßenfeste mit mittelalterlichen Spielchen wie Ringreiten und Sackhüpfen für Kinder organisiert. Und das war dann auch schon alles. Im Grunde stinklangweilig.
Dann kam Beatrix. Sie brach sofort mit dieser steifen Tradition. Und bestimmte, dass der 30. April, der "Verjaardag" ihrer Mutter Juliana, fortan "Koninginnedag" heißen sollte und an die Stelle ihres eigenen, winterlich kalten Geburtstages am 31. Januar treten sollte. Zudem schaffte sie das folkloristische Defilee der Auserkorenen ab. Sie reiste lieber selbst mit Anhang in die Provinzen, zwecks Kontaktpflege mit normalen Menschen, die nicht vorher ausgesucht oder "präpariert" worden waren.
Küsschen für die Monarchin
Berühmt geworden ist die Szene, in der ein junger Amsterdamer auf die Monarchin zustürmte und ihr zwei Küsse gibt. Beatrix strahlte. Allerdings geschah das noch zu einer Zeit, in der noch keine großen Sicherheitsmaßnahmen nötig waren. Heute würde man nicht mehr so nahe ans Staatsoberhaupt herankommen.
Beatrix selbst nimmt sich ab und zu die Freiheit, überraschend aufs Publikum zuzugehen, Fragen zu stellen und das Protokoll kurz mal Protokoll sein zu lassen. Damit möchte die Königin Volksverbundenheit zeigen.
Die sonst so reservierte Königin bewies eine glückliche Hand mit dieser Entscheidung. Der "Koniginnedag" am 30. April hat sich nach ihrer Inthronisation zu einem ausgelassenen, heiteren Feiertag entwickelt, an dem das ganze Polderland Kopf steht und eine große Party feiert. Musikkapellen ziehen durchs Land, überall hängen Flaggen und Wimpel, und es gibt in allen Straßen und Ecken Umzüge, Tanz, Trödelmärkte, Sport und Spiele.
Vor allem wird fröhlich immer wieder auf die Königin angestoßen, und dabei gegessen und geraucht (nicht immer Tabak) - alles recht locker und ungezwungen. Jung und Alt, Schwarz und Weiß amüsiert sich an diesem Feiertag. 16 Millionen Niederländer erleben gemeinsam reibungslos das vermutlich größte Volksfest der Welt - zu dem inzwischen auch Hunderttausende Besucher aus Belgien, Frankreich und Deutschland nach kommen.