Die Leser der englischen Boulevard-Zeitung "The Sun" haben sie vor ein paar Wochen zur sexiesten Frau gewählt, die man auf Youtube zu sehen kriegt: Die französische Fernsehjournalistin Melissa Theuriau, 28 Jahre alt und derzeit der Shooting-Star der französischen Fernseh-Szene. Wenn man bedenkt, dass man auf Youtube alles zu sehen bekommt, was in sämtlichen Fernsehsendern der Welt läuft, ob legal oder geklaut, dann will das etwas heißen. Die Journalistin selbst hat sich gar nicht gefreut über den Titel. Sie findet es auch lästig, dass sie ihre Flüge immer so buchen muss, dass sie bei ein bis zwei Zwischenlandungen die Paparazzi abschütteln kann, die ihr dauernd auf den Fersen sind.
Melissa Theuriau leitet und moderiert alle zwei Wochen eine 2stündige Fernsehsendung über brisante gesellschaftspolitische Themen, im Privatsender M6. Wenn man sie auf ihr blendendes Aussehen anspricht, bleibt sie gerade mal höflich. Sie hat es so oft gehört, als sie noch Nachrichtensprecherin war: Dass man die grauenhaften Zuckungen des Weltgeschehens von strahlenden, jungen Gesichtern präsentieren lässt, um die Quote zu steigern und dass die Oberweite mehr zählt als journalistische Kompetenz. "Sicher hilft gutes Aussehen", sagt sie. "Aber es nimmt einen auch in die Pflicht: Man muss besser und gewissenhafter arbeiten, um es nicht dauernd um die Ohren gehauen zu bekommen". Und sie beschäftigt einen Rechtsanwalt, der gegen die vielen Porno-Websites vorgeht, die Fotomontagen mit ihrem Namen zeigen.
Wollte kein französischer Ulrich Wickert sein
Den Durchbruch hat Melissa Theuriau geschafft, weil sie "nein" gesagt hat. Sämtliche französischen Journalisten waren fassungslos, als die 27jährige Moderatorin des Info-Senders LCI ein glänzendes Angebot des ersten französischen Fernsehprogramms ausschlug: Die Vertreterin von Claire Chazal zu werden, deren Bekanntheitsgrad hierzulande etwa mit dem von Ulrich Wickert vergleichbar ist. "Die Puppe hat nein gesagt", soll einer der Chefs von TF1 damals gesagt haben, und der Spitzname ist an ihr hängen geblieben: Die Puppe, die nein gesagt hat.
Böse Zungen sagen, sie habe sich damals schlicht nicht getraut. Sie selbst sagt, sie habe die Nase voll gehabt davon, Nachrichtensprecherin zu sein und jedes Thema in 30 Sekunden abhaken zu müssen. Ihre Ablehnung hat sie über Nacht berühmt gemacht, und die Angebote prasselten nur so herein. Mit 27 konnte Melissa Theuriau den französischen Fernseh-Sendern ihre Bedingungen stellen: Geld her und Sendezeit für ihre Themen und ihre Präsenz; sie macht keine Billig-Produktionen in virtuellen Studios. Wenn sie eine Sendung über Glanz und Elend im Leben der französischen Fallschirmjäger macht, dann begleitet sie die an die Elfenbeinküste und bei ihren Einsätzen, ob gefährlich oder nicht. Selbst gesprungen ist sie auch, "um den Nervenkitzel kennen zu lernen".
Qualität trotz hübschem Gesicht
Die "neue Charme-Offensive ihres Senders", wie eine Fernsehzeitschrift nach ihrem Wechsel zu M6 titelte, hat also dafür gesorgt, dass das hübsche Gesicht auch für journalistische Qualität und aufwändige Produktion steht. Sie hält auch nicht hinterm Berg damit, dass sie Trash-TV für Volksverdummung hält; zieht fröhlich über ihren potentiellen Arbeitgeber TF1 und dessen Spiele- und Quiz-Sendungen her.
Kaum hatten sich Missgünstige und Miesepeter eine neue Zielscheibe gesucht, geriet Theuriau vor wenigen Wochen schon wieder in die Schlagzeilen: Man hatte sie beim Ski-Urlaub in den französischen Alpen eng umschlungen mit dem Schauspieler und Komiker Djamel Debbouze (derjenige, der in Asterix und Kleopatra den zerstreuten ägyptischen Architekten spielte) gesehen. Kein Kommentar. Wenn's stimmt, dann hat sie sich nicht gerade den Angepasstesten der französischen Kino-Stars ausgesucht.