Spice Girls in Deutschland Dicke Mädchen können besser singen

  • von Matthias Lauerer
Die Bläck Fööss oder die Höhner sorgen in der Kölnarena für ausverkaufte Ränge. Am Donnerstagabend mussten sich fünf Mädels aus England mit den Stimmungskanonen messen: Die Spice Girls gaben ihr einziges Deutschlandkonzert.

Es ist bitterkalt und neblig vor der Kölnarena, lange Schlangen vor dem Eingang sucht man vergebens. Dafür wird in der gut geheizten Halle überall über den baldigen Auftritt von Victoria Beckham, 33, Melanie Brown, 32, Melanie Chisholm, 33, und Geri Halliwell, 35, sowie Emma Bunton, 31, gefachsimpelt. Nur über den seine Frau begleitenden David Beckham, der in den Staaten bei L.A. Galaxy kickt und mit Mütze im VIP-Bereich unter den Zuschauern sitzt, spricht man noch mehr.

Wenn in wenigen Wochen, zu Karneval, hier die Kölner Traditionsbands Höhner oder Bläck Fööss auftreten, platzt die Kölnarena aus allen Nähten. 20.000 Menschen stehen dann in der 76 Meter hohen Halle Kopf. Den Songtext von "Dicke Mädche" kann fast jeder auswendig mitgrölen. Eine Songzeile lautet: "Dicke Mädchen können besser singen, weil ihre Körper einfach besser klingen." Fünf dürre Mädels aus England, die vom Kölner Karneval höchstens mal gehört haben, sind am Donnerstagabend angetreten, um die Höhner zu widerlegen.

Der hintere Teil des Innenraums ist fast leer, ausverkauft ist die Halle nicht. Doch das will einen großen, glatzhaarigen Mann nicht stören. Mit bis zum Bauchnabel geöffnetem grünem Hemd okkupiert er einfach die leere Fläche für sich. Und fängt zum lauten Vor-Konzert-Discosound aus den Boxen einfach an zu tanzen. Da geht erst ein lautes Raunen durch die Halle, dann wird gejohlt und applaudiert. Damit auch alle Zuschauerinnen etwas davon haben, wechselt der Private Dancer sogar mehrfach die Hallenseite. Eine Viertelstunde geht das so, dann bedankt er sich mit einem Bückling beim Publikum und verschwindet schnell in der Zuschauermenge vor der Bühne.

Dünne Mädchen im Cavalli-Outfit

Mit einer Stunde Verspätung beginnt das Konzert. Nebeneinander fahren die Mädels in gold glitzernden Roberto-Cavalli-Kostümen langsam aus dem Bühnenboden empor. Die unterschiedlichen Bühnenoutfits hatte der Grand Seigneur der Mode den Damen auf den Leib geschneidert. Dann springen zehn Tänzer auf die Bühne: "Hallo Deutschland, wie geht es euch", ruft Geri Halliwell in die Menge, die darauf prompt mit Jubel und Getobe antwortet. Zu jedem neuen Song wechseln die Mittdreißigerinnen das Outfit. Die Wechsel-Zeit überbrücken Tanzeinlagen. So wird es zu den Songs "Viva Forever" und "Mama" eher ruhig, besinnlich und fast weihnachtlich feierlich auf der Bühne, während es bei "It´s raining men" - im Original von den "Weather Girls" - laut und Energie geladen zugeht. Bei diesem Stück läuft Sängerin Geri Halliwell über die am Boden liegenden gebeugten Rücken vierer Tänzer. Es ist einfach eine Freude, den Fünfen zuzusehen.

Um das weltweite Phänomen der "Spice Girls" zu verstehen, hilft ein Blick in die Geschichte der Gruppe. Am vierten März 1993 findet das erste Vorsingen in London statt. Per Zeitungsannonce suchte man damals "18-23 Jahre alte Sängerinnen" die die Attribute: "streetwise, outgoing, ambitious, and dedicated" mitbringen sollten. Vier der heutigen fünf setzten sich dort durch, danach wechselt die Besetzung noch einmal aus persönlichen Gründen. Auch das Management wird später gewechselt. Dabei sollen die fünf jungen Damen ihre Master-Aufnahmen aus dem Plattenstudie geklaut haben. So liest es sich auf der offiziellen Spice Girls Homepage. Nach dem Diebstahl ging es in Geris Auto auf die Suche nach einem neuen Management. Wohl deshalb stehen die Damen erst 1997 zum ersten Mal auf einer großen Test-Bühne in Istanbul. Dann folgt 1998 die ausverkaufte "Spiceworld Tour", es hagelt Preise. Doch vielleicht sind es ja die "Girl Power"-Grundsätze, die die Gruppe so erfolgreich machten. "Sei positiv", oder "Lass Dir von niemandem erzählen, dass du etwas nicht machen kannst, nur weil Du ein Mädchen bist". Perfekt trafen sie damit den Zeitgeist der 90er Jahre.

Dünne Mädchen halten 90 Minuten durch

Gegen 22.15 Uhr fällt dann der erste Vorhang. Etwas irritiert fordern die Zuschauer Zugaben ein. Die gibt es dann auch - gewaltig. Mit "Wannabe", "Who do you think you are" und zuletzt "Spice up your life!" folgen die besten Stücke. Alle Zuschauer stehen jetzt auf den Rängen, zuvor war man noch gesittet sitzen geblieben. Mit einer phänomenalen Tanz- und Gesangseinlage endet das Konzert um 21.30 Uhr. Früh, wenn man bedenkt, dass die Tickets 77 Euro pro Stück gekostet haben. Doch dafür lieferten die Spice Girls auch neunzig Minuten eine tolle Show. Deutlich merkt man das nach dem Konzert-Ende. Alle sind irgendwie aus dem Häuschen, singen oder kreischen mal eben durch die Gänge.

Draußen in der bitteren Kälte tummeln sich derweil 15 Italiener mit großer italienischer Flagge. Bereits seit zehn Uhr morgens hatten sie vor dem Eingang gewartet. Jetzt schießen sie Fotos von sich und outen sich unbekümmert als Ultra-Spice-Girls-Fans: "Ich liebe die Gruppe seit zehn Jahren. Sie haben mein Leben verändert, mir viel gelehrt, so zum Beispiel Englisch.", sagt Fabio Bergonsini, 25, aus Modena, der in schwarzer Daunenjacke und mit roter Nikolaus-Mütze aufgeregt weiße Atemfahnen in die Kälte bläst. Doch leibhaftig getroffen haben sie von den Frauen bislang nur Melanie C. "Es wäre ein Traum mit ihnen zu sprechen.", sagt Fabio.

Den Ladies scheint ihr Besuch in Köln auch gefallen zu haben. Im kurzen Video, das auf ihrer Homepage steht, schäkern sie durcheinander. Darin stellt sich Geri Halliwell noch im schwarzen Mantel als Stewardess der "Deutschland Airline" vor und schwärmt von "German ham". Mel B. kaut währenddessen auf grünem Gemüse. Doch am besten habe es ja wohl "David" gefallen, sagt Emma aus dem Hintergrund. Dann schwenkt die Kamera auf ihn. Im hochgezogenen, schwarzen Pulli sitzt "er" dann da. "Holler" habe sie, Melanie B., nur für ihn gesungen. Dann wünscht sie sich noch, die "Nacht über in Deutschland geblieben" zu sein. Vielleicht sollte sie Ende Januar zurück nach Köln kommen - am 30. beginnt die Karnevalswoche. Dann könnte sie die Kölnarena mal ausverkauft erleben.

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