Ramsan Kadyrow schüttelt grinsend den Kopf und applaudiert. Eben hat ihm die Oscar-Gewinnerin Hilary Swank von der Bühne strahlend "Happy Birthday, Mister President" entgegengeflötet. Dabei galt die Feier mit Auftritten von Swank, Heidi Klums Ehemann Seal, der Star-Geigerin Vanessa Mae und Actionheld Jean-Claude Van Damme offiziell gar nicht ihm, dem tschetschenischen Präsidenten, sondern der Stadt Grosny - und der Einweihung eines neuen Luxusviertels.
Woher sie denn wisse, dass der Präsident heute Geburtstag habe, wollte der Übersetzer von Swank wissen. "Oh, ich stelle meine Nachforschungen an, ich lese", antwortete sie. Bei ihren Nachforschungen über den tschetschenischen Präsidenten scheint sie jedoch einiges übersehen zu haben. Sonst müssten ihr eigentlich die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen aufgefallen sein, die Kadyrow vorgeworfen werden: Diverse Menschenrechtsorganisationen machen ihn für Auftragsmorde und Verschleppungen verantwortlich, ihm wird vorgeworfen, Folter anzuwenden. Doch Swank bedankte sich artig für die Einladung, und ihr Kollege Van Damme ließ sich sogar zu einem "I love you, Mister Kadyrow" hinreißen.
"Ich bereue zutiefst"
Eine Woche ist das groteske Gastspiel von Swank und Co. nun her, doch auf die mediale Kritik folgte zunächst das große Schweigen. Seal versuchte, sich via Twitter herauszureden: "Ich habe dort lediglich für das tschetschenische Volk gespielt. Ich bin Musiker und würde es begrüßen, wenn ihr mich aus eurer Politik raushaltet", wies er jegliche Verantwortung von sich.
Auch Swanks Manager sah sich mittlerweile dazu gezwungen, ein Statement abzugeben. Die Schauspielerin habe nichts von den Vorwürfen gegen Kadyrow gewusst, sagte er am Mittwoch dem amerikanischen Sender CBS. Und am Donnerstag schob Swank in einer offiziellen Stellungnahme hinterher: "Ich bereue zutiefst, an dieser Veranstaltung teilgenommen zu haben. Wenn ich gewusst hätte, um was es dort anscheinend ging, wäre ich nie hingegangen."
500.000 Dollar pro Auftritt
"Das ist vollkommener Blödsinn, absolut absurd", regt sich Thor Halvorssen, Vorsitzender der New Yorker Menschenrechtsorganisation Human Rights Foundation im Gespräch mit stern.de auf. Seine Organisation habe alle eingeladenen Prominenten bereits Ende September in einem Brief von dem Besuch abgeraten. Während Stars wie Shakira und Kevin Costner die Notbremse zogen, ließ sich Swank nicht davon abbringen und das, obwohl ihr Sprecher zuvor noch versicherte, ein Auftritt von ihr sei nicht geplant. Halvorssen überrascht das nicht: "Die Verbindung von Politik und Stars hat in der Geschichte eine lange Tradition. Kadyrow kann so demonstrieren, dass er internationale Glaubwürdigkeit besitzt, und Swank kassiert das Geld."
Dass mit dem richtigen Preis fast jeder Promi käuflich ist, weiß auch Doug Turner. Der Amerikaner leitet seit 22 Jahren eine Agentur in Florida, die Berühmtheiten an reiche Kunden vermietet. Turner bringt im Monat etwa drei bis fünf Stars an den Mann - von Matt Damon bis Sylvester Stallone waren angeblich alle schon dabei. Seine Kunden sind meist reiche Firmenchefs, doch gelegentlich sind auch hochrangige Politiker dabei.
"Am Ende ist alles eine Frage des Geldes", sagt er stern.de. Für einen A-Klasse-Star müsse ein Kunde zwischen 25.000 und 500.000 Dollar hinblättern. Aber wie kriegt man jemanden wie Hilary Swank dazu, sich sogar für Ramsan Kadyrow zu verkaufen? Er habe da einen Agenten in Hollywood, der die Stars gut kenne, erzählt Turner. Und außerdem: "Sie ist eben ein nettes Mädchen, und wenn sie sie so gerne haben wollten - warum nicht? Sie wurde bestimmt gut dafür bezahlt."
Aufdecken und verurteilen
Thor Halvorssen von der Human Rights Foundattion resigniert trotz der gängigen "Jeder ist käuflich"-Mentalität nicht, im Gegenteil: Er freut sich über die kritische Berichterstattung. "Es ist wichtig, dass so etwas heutzutage öffentlich aufgedeckt und verurteilt werden kann." Immerhin: Nach enormem öffentlichem Druck haben bereits Anfang des Jahres Stars wie Nelly Furtado, Mariah Carey und Beyoncé ihre Einnahmen gespendet, die sie bei Auftritten für die Familie des libyischen Diktators Gaddafi erhielten.
Das wär doch was, Frau Swank!