Ihr mächtiger Bart ist ab. Warum?
Ich habe mir das lange überlegt, es gibt mehrere Gründe. Wo immer ich mit dem Bart hinkam, guckten die Leute, erkannte man mich. Der Bart war das Symbol für Murat Kurnaz geworden. Da habe ich ihn abgenommen. So habe ich meine Privatsphäre wieder.
Sie trugen den Bart auch als Symbol Ihres Glaubens.
Genau, weil die Sunna uns Muslimen vorschreibt, dem Leben des Propheten nachzueifern. Aber das geht auch ohne Bart.
Was machen Sie in Paris?
Erst mal einen kurzen Urlaub. Es ist schon eine schöne Stadt, der Eiffelturm, Disneyland, die Cafés. Hier gibt es auch viele Einwanderer aus Nordafrika, mit denen kann ich Arabisch sprechen, das habe ich ja in Guantánamo gelernt. Außerdem stelle ich hier mein Buch vor. Es erscheint nun auf Französisch. Dazu gebe ich auch ein TV-Interview. Das Buch wird in mindestens 13 Ländern veröffentlicht, auch in Skandinavien, Brasilien, Südkorea, den USA.
Zur Person
Murat Kurnaz, 25, wurde mit seinem langen Bart in Deutschland zur Symbolfigur für Guantánamo. In dem Lager auf Kuba hielten ihn US-Militärs viereinhalb Jahre als Terrorverdächtigen gefangen. Zuvor hatten sie ihn in Afghanistan gefoltert. Dank des Einsatzes von Bundeskanzlerin Merkel (CDU) kam der junge Türke aus Bremen im August 2006 frei. Zuvor war die Rückkehr des Gefangenen unter der Regie des damaligen Kanzleramtschefs Steinmeier verhindert worden. Kurnaz lebt heute bei seiner Familie in Bremen.
Werden Sie auch nach Amerika reisen?
Lieber nicht.
Haben Sie noch Kontakt zu anderen Ex-Gefangenen aus Guantánamo?
Manchmal telefonieren wir, wenn jemand rauskommt. Dann freuen wir uns gemeinsam. Sie haben berichtet, dass Sie in einem Lager in Afghanistan auch von deutschen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte misshandelt wurden, und zwar hinter einem Lastwagen. So war es auch.
KSK-Soldaten bestritten dies: Es habe in dem Gefangenenlager damals keine Lastwagen gegeben. Ex-Insassen und US-Militärs aber stützen nun wiederum Ihre Aussage. Wie verfolgen Sie diese Entwicklung?
Nur am Rande. Den Lkw sahen damals ja Hunderte Soldaten, Gefangene, Hilfsarbeiter. Mir würde ja schon reichen, wenn die KSK-Leute zugeben: Okay, wir haben den geschlagen, und wir haben gelogen. Wie das die Justiz dann bewertet, dazu kann ich nichts sagen, das kann nur ein Richter. Ich habe aber gelernt, wie wichtig Gerechtigkeit ist.
Was sagen Freunde und Familie - jetzt, da Ihr Bart ab ist?
Ich arbeite als Verwaltungskraft in einem Bremer Sozialprojekt, und manche Freunde sahen es erst, nachdem wir schon eine halbe Stunde zusammengesessen hatten. Meine Mutter kam aus dem Urlaub nach Bremen zurück, umarmte mich - und merkte erst dann, dass etwas anders war.
Interview: Uli Rauss