Als Frank-Walter Steinmeier am Sonntag zum Bundespräsidenten gewählt wurde, fielen die Reaktionen überwiegend positiv aus - zumindest aus der Politik. "Er wird ein hervorragender Bundespräsident für unser Land sein", sagte Kanzlerin Merkel. Doch zum gleichen Zeitpunkt zeigte ein Blick auf Twitter: Diese Ansicht teilt nicht jeder. "Wenn Steinmeier eine moralische Instanz ist, hätte er Kurnaz nicht solange in Guantanamo versauern lassen", schrieb eine Nutzerin. "Steinmeier deckte die illegalen Folterpraktiken in Guantanamo", hieß es in einem anderen Tweet, in dem auch der Hashtag #notmypresident auftauchte.
Murat Kurnaz - ein Name, der bei Frank-Walter Steinmeier unangenehme Gefühle hervorrufen dürfte. Der türkischstämmige Bremer Kurnaz wurde jahrelang im US-Gefangenenlager Guantanamo verhört und gefoltert - und das, obwohl er unschuldig war. In seiner damaligen Funktion als Chef des Bundeskanzleramts war Steinmeier entscheidend am Beschluss der deutschen Behörden beteiligt, Kurnaz im berüchtigten US-Gefangenenlager interniert zu lassen, obwohl die Amerikaner im Jahr 2002 seine Freilassung angeboten hatten. Kurnaz' Schicksal wurde 2013 in dem Kinofilm "5 Jahre Leben" nacherzählt.

Kurnaz über Steinmeier: "Kein gutes Zeugnis"
Bis heute wirft der inzwischen 34 Jahre alte Kurnaz Steinmeier vor, ihm nicht geholfen zu haben - und wartet auf eine Entschuldigung, die bislang nicht kam. Die Wahl Steinmeiers zum Bundespräsidenten sieht Kurnaz daher äußerst kritisch. "Herr Steinmeier hat sich in meinem Fall kaltherzig und ignorant verhalten", sagte der Bremer nun in einem Interview mit "Spiegel Online".
"Er hat nicht die Größe, seinen Fehler einzugestehen." Steinmeier habe ihn, Kurnaz, im Stich gelassen - und "das ist kein gutes Zeugnis für einen Bundespräsidenten".
Im Jahr 2006 kehrte Kurnaz nach fast fünf Jahren Gefangenschaft in Guantanamo in seine Heimatstadt Bremen zurück. "Guantanamo ist ein Ort ohne Gesetze, dafür wurde es geschaffen", sagte Kurnaz 2006 in einem Interview mit dem stern. "Ich habe gelernt, dass Schmerzen ein Teil des Lebens sind."