Sie haben gerade Ihre Abschlussprüfung in Politikwissenschaften bestanden. Verraten Sie uns die Note?
Eins. Und darauf bin ich auch sehr stolz, weil ich es allen Skeptikern gezeigt habe. Es gab viele, die nicht geglaubt haben, dass ich noch mal ernsthaft studieren und bis zum Ende durchhalten könnte.
Wie viele Semester haben Sie gebraucht?
20, aber ich habe mein ganzes Studium über Politik gemacht. Acht Semester habe ich sogar im Bundestag gesessen. So gesehen habe ich nur sechs Jahre Vollzeit studiert. Ich finde, das ist nicht zu lange.
Wie haben Sie Ihr Studium finanziert?
Nach den Bundestagsjahren hatte ich zwölf Monate ein Stipendium. Die restliche Zeit habe ich mit Ersparnissen überbrückt. Nun bin ich pleite.
Dann haben Sie also nicht - wie öfter spekuliert wurde - die Mutter der Nation, Inge Meysel, beerbt?
Nein - das ist Quatsch. Wir haben uns gut verstanden, und sie hat mir 1995 ein Jahr lang 100 Mark im Monat fürs Studium überwiesen. Das war's.
Und wie geht es jetzt weiter? Kehren Sie zurück in die Politik - zum neuen Links-Bündnis von Gregor Gysi und Oskar Lafontaine?
Nein, denn das ist kein linkes Bündnis. Diese selbst ernannte Linkspartei geht mit billigem Populismus auf Stimmenfang. Nicht überall, wo "links" draufsteht, sind auch linke Inhalte drin. Dass Lafontaine selbst vor ausländerfeindlichen Äußerungen nicht zurückschreckt, zeigt dies sehr deutlich. Der Ausdruck "Fremdarbeiter" war kein Ausrutscher. Das sieht jeder, der sich das Original der Rede ansieht.
Zur Person
Angela Marquardt wurde 1971 in Ludwigslust geboren. Von 1995 bis 1997 war die heute 33-Jährige stellvertretende Parteivorsitzende der PDS. Ärger bekam sie mit der Berliner Staatsanwaltschaft, weil sie auf ihrer Homepage einen Link zur verbotenen Zeitschrift "radikal" gelegt hatte. Seither kämpft Marquardt gegen angebliche Zensur im Internet. 2003 trat sie aus der PDS aus. Nach der Politikerkarriere beendete Angela Marquardt ihr Studium der Politologie an der FU in Berlin.
Und die PDS?
Die PDS nimmt das in Kauf, um den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. Nur gegen Hartz IV zu sein ist noch nicht links. Auch die NPD ist gegen Hartz IV. Hier wird ein politisches Projekt vorgegaukelt.
Und wie steht es mit Ihnen? Kommen Sie denn ohne die Droge Politik zurecht?
Glücklicherweise muss ich als Politikwissenschaftlerin nicht ohne diese Droge leben. Außerdem engagiere ich mich nach wie vor politisch in der antifaschistischen Arbeit. Ich kann auf die Privilegien einer Abgeordneten gut verzichten. Ich war immer der Meinung, dass viele Politiker den Blick für die Realität verlieren.
In Ihrer Diplomarbeit haben Sie sich mit der Frage beschäftigt, ob ein NPD-Verbot im Kampf gegen den Rechtsextremismus hilft.
Die NPD soll nicht verboten werden. Es steht außer Frage, dass sie eine gefährliche Partei ist. Doch eine Demokratie, die Parteien verbietet, zeigt Schwäche, wo sie Stärke zeigen sollte. Der Artikel im Grundgesetz, der es ermöglicht, Parteien für verfassungswidrig zu erklären, sollte gestrichen werden. Die NPD wird aus Überzeugung gewählt. Und Verbote verhindern eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei.
Mit 15 haben Sie bei der Stasi eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Ihre Eltern haben Sie dazu gedrängt. Werden Sie wegen dieser Geschichte heute noch beschimpft?
Nein, darüber redet heute kaum jemand. Ich habe ein reines Gewissen. Ich war kein Stasi-Spitzel. Das Etikett "PDS" klebt viel stärker an mir. Obwohl ich schon lange ausgetreten bin.
Wenn Sie sich nicht mehr in der Welt der Politiker zu Hause fühlen - in welcher Welt leben Sie jetzt?
In der Welt der Arbeitssuchenden. Ich muss nämlich jetzt anfangen, mich zu bewerben. Und was wollen Sie machen? Ich würde gerne als Expertin für Rechtsextremismus arbeiten und vielleicht meine Doktorarbeit schreiben. Ich starte jetzt zum zweiten Mal ins Leben.