Der große Verlierer der Wahl heißt Mike Mohring. Hinter der Linken, hinter der AfD und von einer Regierungsbeteiligung weit entfernt – da steht aktuell die CDU in Thüringen. Ihr Parteichef und Spitzenkandidat erklärte das "bittere Ergebnis" (21,8 Prozent, 2014: 33,5 Prozent) so: "Die bürgerliche Mitte hat keine Mehrheit mehr."
Die bürgerliche Mitte, das ist für Mohring offenbar die CDU. Er wollte der Mann der Mitte sein. Er nannte den AfD-Landeschef Björn Höcke einen "Nazi", attackierte den linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow für seinen Umgang mit der DDR.
In der Tat haben die Wählerinnen und Wähler bei der Landtagswahl am Sonntag den alteingesessenen, westdeutschen Parteien eine Absage erteilt. Eine Mehrheit sprach sich gegen CDU, SPD, Grüne und FDP aus – während "die Ränder", wie es Mohrings Generalsekretär Raymond Walk formulierte, große Wahlerfolge eingefahren haben.
Ein Blick auf die Wählerumfragen vermittelt ein anderes Bild: Die Linke in Thüringen gehört nicht zum politischen Rand – sie wird überwiegend wohlwollend als (Traditions-)Partei der Mitte wahrgenommen.
Der Erfolg der Linken hat einen Namen
Und der lautet: Bodo Ramelow. Wurde bei der letzten Landtagswahl (2014) noch gegen den künftigen Ministerpräsidenten von der Linken demonstriert ("Stasi raus"), hat der 63-Jährige beim Urnengang vom Sonntag einen historischen Erfolg eingefahren: Seine Partei wurde erstmals stärkste Kraft bei einer Landtagswahl (31 Prozent) und legte obendrein zu.
Das hat viel mit der Strahlkraft von Ramelow zutun, der sich als pragmatischer und vermittelnder Landesvater gibt und gern mal "konservativer Linker" genannt wird. Laut der Forschungsgruppe Wahlen sind 68 Prozent der Wahlberechtigten mit seiner Arbeit zufrieden, sogar 60 Prozent der CDU-Anhänger halten ihn für einen guten Ministerpräsidenten.

Eine Umfrage von infratest dimap vor der Wahl ergab, dass sich eine Mehrheit Ramelow als Ministerpräsidenten wünsche – und nicht Mohring von der CDU.

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Wie die "Süddeutsche Zeitung" hervorhebt, haben die drei Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern allerdings auch gezeigt: Ist ein Erfolg der AfD zu erwarten, hilft das den amtierenden Ministerpräsidenten. Auch in Thüringen wanderten etwa Wähler von der CDU zu der Linken ab, womöglich, auf das ihr Kreuz einem höheren Zweck diene.
Die Linke wird als Partei der Mitte wahrgenommen
Ramelow hat das Image der Linken in Thüringen nachhaltig verändert. Die Partei wird nicht als politischer Rand oder Protestpartei wahrgenommen, so wie es sich in weiten Teilen der Bundesrepublik darstellt. Demnach empfindet fast die Hälfte der Wahlberechtigten Die Linke als Partei der Mitte, wie eine Erhebung von infratest dimap ergibt.
Das legt auch ein Blick auf die Wählerschaft der Linken nahe. Demnach ist die Partei vor allem bei den Wählern ab 60 Jahren beliebt, wie die Forschungsgruppe Wahlen ermittelt hat. Auch überdurchschnittlich viele Frauen und zahlreiche Wähler mit Hochschulabschluss oder Abitur wählten die Linkspartei.

In der Regel profitieren eher Konservative von der Ü60-Altersgruppe – wie etwa die CDU bei den Landtagswahlen in Sachsen. In Thüringen wählten sie dennoch eine Traditionspartei. Die Linke ist aus der Fusion von PDS und WASG hervorgegangen. Und die SED-Nachfolgepartei PDS war seit 1999 die größte Oppositionspartei im Landtag.
Die Linke als Interessenvertreter der Ostdeutschen
Der Linken in Thüringen wird viel Vertrauen entgegengebracht und Kompetenz zugerechnet. Laut infratest dimap sehen 40 Prozent Die Linke als Partei, die am besten die Interessen der Ostdeutschen vertritt – nur zwölf Prozent würden das von der CDU behaupten.

Auch bei wichtigen Wahlkampfthemen, etwa der sozialen Gerechtigkeit und Löhne/Renten, sehen viele Wählerinnen und Wähler die Lösung eher in der Linkspartei.

Tradition, Mitte, eine ältere Wählerschaft – diese Beschreibung trifft in Thüringen wohl eher auf Die Linke als auf die CDU zu. Vom politischen Rand kann jedenfalls nicht die Rede sein.
Dennoch wird die Regierungsbildung in Thüringen kompliziert (warum, lesen Sie hier). Ramelow hat mit den Linken zwar klar gewonnen, kann aber mit SPD und Grünen nicht wie bisher weiter regieren. Ein Bündnis mit der AfD ist politisch unmöglich. Eine sichere Mehrheit kämen einem Bündnis aus Linke und CDU zu. Diese Koalition hatten die Christdemokraten allerdings ausgeschlossen. Laut einem Bundesparteitagsbeschluss lehnt sie auch "ähnliche Formen der Zusammenarbeit" ab.
CDU-Spitzenkandidat Mohring signalisiert allerdings Gesprächsbereitschaft (lesen Sie hier die wichtigsten Entwicklungen). Ein Tabubruch? Es gibt heftigen Gegenwind aus der Bundespartei – laut infratest dimap aber nicht von einer Mehrheit der CDU-Wähler: Demnach sprechen sich 68 Prozent dafür aus, die Frage neu zu entscheiden, ob die CDU eine Koalition mit der Linken weiter ausschließen sollte.