Die heute 53-jährige Folk-Sängerin aus New York ist eine Ikone der Flower-Power-Generation. Weltberühmt wurde sie durch ihren Auftritt 1969 beim Woodstock-FestivalZur Person :
Melanie Safka mit ihrem Sohn Beau Jarred, 19, der sie auch auf ihrer nächsten Tournee begleiten wird. Die Familie lebt in der Nähe von Tampa/Florida.
stern: Sind Sie eigentlich noch ein Hippie?
Melanie: Ich hab mich nie als einer gesehen. Das Wort Hippie war mir zu trendy, es beschrieb auch nicht unser Lebensgefühl.
stern: Was war das für ein Lebensgefühl?
Melanie: Wir glaubten, dass wir nicht in diese Gesellschaft passten. Und dass wir die erste Generation wären, die wirklich etwas verändern könnte.
stern: Inzwischen scheinen Börsenkurse angesagter als love and peace.
Melanie: Die Leute sind damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern, das ist ja nicht schlecht. Aber es gibt auch ein größeres Überleben, an das wir denken müssen. Vor allem junge Menschen sind immer noch sehr engagiert. Sie sehen oft klarer als ältere, weil die mit ihrer Familie und dem Auto beschäftigt sind.
stern: Sie wurden mit »Ruby Tuesday« berühmt. Mögen Sie auch die neuen Sachen von den Rolling Stones?
Melanie: Ich höre nicht so viel davon. Aber die Stones sind schon klasse. Die dienstälteste Gruppe überhaupt.
stern: Sie sind auch ganz schön lange dabei.
Melanie: Über dreißig Jahre, und ich hab nie eine Pause gemacht. Aber ich bin kein Show-Business-Typ, dazu bin ich viel zu introvertiert. Ich hatte nie vor, berühmt zu werden, wollte immer nur einfach Musik machen. Ein Star zu werden hat mich hart getroffen.
stern: Tatsächlich?
Melanie: Ich wollte Entwicklungshelferin werden und etwas für die Menschheit tun. Dann war ich plötzlich Sängerin. Und das ist gut, denn so konnte ich viel mehr Sinnvolles tun. Ich war die erste Sängerin, die vor der UN-Vollversammlung auftreten durfte. Da habe ich Menschen erreicht, die etwas verändern können. Aber das bedeutet nicht, dass ich mich wie ein Star fühle. Und - ich bin immer noch vor jedem Auftritt unheimlich aufgeregt.
stern: Nach all den Jahren?
Melanie: Zum Glück verschwindet die Angst, sobald ich auf der Bühne stehe. Und trotzdem: Manchmal sehe ich Show-Veteranen, die essen vor dem Auftritt ihr Abendbrot. Wenn ich vor der Show was essen würde, würde ich mich übergeben. Vielleicht hätte ich doch besser Töpferin werden sollen.
stern: Wollen Sie etwa umsatteln?
Melanie: Dazu bin ich viel zu beschäftigt. Ich gebe hier in Amerika viele Konzerte und habe gerade eine CD mit neuen Einspielungen von »Brand New Key« und »Lay Down« herausgebracht. Drei weitere CDs sind in Arbeit, und im Herbst gehe ich auf Europa-Tournee, da komme ich auch dann nach Deutschland.
stern: Ihre Fans lieben es, dass Sie auf technischen Schnickschnack verzichten. Wie gefällt Ihnen denn zum Beispiel Techno?
Melanie: Da gibt es gute Sachen. Mich lässt es nur kalt, wenn jemand einfach einen Computer programmiert. Aber wenn es ein Musiker macht, der richtig was kann, gefällt es mir auch. Und zum Glück halten mich meine Kinder auf dem Laufenden. Sonst wäre ich vielleicht in einem Zeitloch gefangen.
stern: Sind Ihre Kinder auch musikalisch?
Melanie: Mein Sohn Beau Jarred ist erst 19, aber ein Genie mit der Gitarre. Er schreibt sogar schon Filmmusik. Und er wird mich auf der Tournee begleiten. Meine beiden Töchter haben eine Band gegründet. Sie haben sie »Safka« genannt. Das gefällt mir, denn als ich angefangen habe, riet mir mein Manager, den Nachnamen wegzulassen, weil der so ausländisch klingt.
stern: Sie saßen im Flugzeug mal zehn Stunden neben Jimi Hendrix. Es gilt bis heute als ungeklärt, was Sie beide da getrieben haben.
Melanie: Wir haben uns unterhalten. Ich weiß, das klingt nicht sehr glaubwürdig, wenn man an den Ruf von Jimi Hendrix denkt. Aber wir haben einfach nur geredet. Neben uns saßen allerdings ein paar betrunkene Geschäftsleute. Denen hat es wohl nicht gepasst, dass ein Schwarzer in der ersten Klasse saß, und sie haben herumgestänkert. Jimi hat das ganz cool genommen. Ich hätte denen am liebsten eine geknallt.
stern: Das wäre schlecht für love and peace gewesen.
Melanie: Ich hab's ja auch nicht gemacht.
Interview: Andreas Hutzler