Dirk Schönberger Der neue Joop

Von Stefanie Luxat
Er wollte Deutschlands Mittelklasse in Cashmere kleiden. Doch sein Plan ging nicht auf, und Wolfgang Joop verließ seine eigene Firma im Streit. Sechs Jahre später wagt die Marke nun einen Neuanfang - mit einem frischen Designer-Gesicht.

Sie sehen aus wie Frauen, die sich auf den Weg zu ihrem neuen Liebhaber gemacht haben: Sie tragen silberne Paillettenkleider, kombiniert mit schwarzen Anzugjacken. Eine glänzende Jogginghose zu High Heels und fast durchsichtigen Tops. Lila und grüne Seidenkleider. Ihre Silhouetten sind schmal.

Hier, auf dem Laufsteg in den Böhler Werken in Düsseldorf, zeigte sich am vergangenen Samstag die neue Joop-Frau. Sie hat ihren konservativen, verkrampften, einfallslosen Stil abgelegt und gibt sich als selbstbewusste, sensible Frau, die weiß, wie sie ihren Sex-Appeal in Szene setzt.

Er spricht das letzte Wort

Am Ende des Schaulaufens betritt der Macher die Bühne. Doch es handelt sich nicht um Wolfgang Joop, sondern um einen Mann von Anfang 40, graumeliert, in dunklem Anzug. Sein Name ist Dirk Schönberger - er spricht seit Anfang des Jahres bei der Joop GmbH in allen Kreativangelegenheiten das letzte Wort.

Der Unterschied zu Wolfgang Joop könnte kaum größer sein. Früher tauchte in diesen Momenten der immergebräunte, blondierte, lustig angezogene, lästernde Dauer-Talkshow-Gast auf, der sich als Designer einst vorgenommen hatte, den deutschen Mittelstand in Cashmere zu hüllen.

"Strenge" und "nuttige" Kleider

Der seinen Stil aber mit jeder neuen Kollektion änderte, der Mode schuf, die sich stets aufs neue widersprach. Der seine Kleider als "streng" und "nuttig" beschrieb. Wie genau sie aber ausgesehen haben, ist nicht so recht in Erinnerung geblieben - bis vielleicht auf das Ausrufezeichen, das die Jeans-Hintern wohlsituierter Doppelhaushälftenbesitzer ziert.

Wolfgang Joop träumte vom internationalen Durchbruch seiner Marke, den er seit der Gründung der Joop-GmbH 1987 mit wechselnden Geschäftspartnern herbeiführen wollte. Doch die Verbindungen endeten regelmäßig in Zerwürfnissen. So auch bei der Wünsche AG, die vor neun Jahren 95 Prozent der Joop-GmbH übernahm - für 150 Millionen Mark. Aus seinen verbliebenen 5 Prozent leitete der Designer, der sich letztmalig im Jahr 2000 für seine Marke auf dem Laufsteg zeigte, für sich offenbar das Recht ab, sich fortwährend und öffentlich einzumischen.

Die Streitereien endeten spät

Und sich verhob: Im selben Jahr wurde die Joop-GmbH wegen drohender Insolvenz der Wünsche AG als Sicherheit an die BHF-Bank verpfändet. Es folgte dürre und wirre Jahre: die Anteilseigner und die Designer wechselten, Läden wurden geschlossen, und eine Zeit lang wurde gar auf die Damenkollektion verzichtet.

Heute halten die Holy Fashion Group (Strellson, Windsor, Tommy Hilfiger) und die Holding Egana-Goldpfeil (Mexx, Esprit, Pierre Cardin) jeweils einen Anteil von 50 Prozent an der Joop GmbH. Unter den neuen Besitzern hat sich die Situation so weit beruhigt, dass Anfang des Jahres zum ersten Mal seit dem Ausstieg von Wolfgang Joop wieder ein Kreativ-Gesicht präsentiert wurde.

Er verliert den Faden

Düsseldorf, eine Woche vor der Modenschau. Dirk Schönberger setzt sich zum Interview in das Foyer des Joop-Showrooms. Das Telefon klingelt, Türen gehen auf und zu, über den Flur eilen Frauen mit klappernden Absätzen. Männer in Anzügen rufen Schönberger zum Abschied zu :"Sehen wir uns heute Abend beim Essen?" Schönberger nickt. Ob der Trubel ihn stört? "Das geht schon", sagt er. Verliert dann aber doch im Gespräch ein paarmal den Faden.

Auf die Frage, wie schwer es sei, eine so stark von Wolfgang Joop geprägte Marke zu übernehmen, antwortet er : "Ich respektiere Wolfgang Joop für das, was er erreicht hat. Doch die Marke muss jetzt die neue Generation ans Ruder lassen."

Ein kontrollierbares Stück Avantgarde

Mit Schöneberger holt sich die Firma Joop ein kontrollierbares Stück Avantgarde ins Haus. Gelernt hat der Designerauf der Modeschule Esmod in München und als Assistent von Dirk Bikkembergs in Belgien. Schöneberger zeigte während des Irak-Kriegs auf einer Modenschau 2003 in Barcelona einen Parka mit der Aufschrift "War is over - if you want it", einem Zitat von John Lennon und Yoko Ono. Für die Aktion bekam er Standing Ovations.

Doch bald, sagt er, hatte er genug davon, Politik und Mode zu vermischen. "Es gibt ja auch eine gewisse Joop-Box, in der muss man erst mal denken." Für den Job ist Schönberger aus Belgien nach Deutschland zurückgekehrt. Sein eigenes, vor elf Jahren gegründetes Modelabel lässt er vorerst ruhen. Er gehört zu den sogenannten jungen Etablierten und kleidete mit seiner Mode, die in ihren klaren Linien an Jil Sander erinnert, bereits Rockstars wie die Rolling Stones und U2 ein.

Erste Amtshandlung Produktschau

Die Joop-GmbH hingegen stattet den Fernseh-Talker Johannes B. Kerner aus. Tut das nicht weh?Er lächelt. "Geben sie mir etwas Zeit." Als erste Amtshandlung hat sich Dirk Schönberger alle Produkte von Joop angeschaut, vom Männer-String über Badezimmer-Armaturen, von Schmuck und Schuhen bis hin zu den Möbelstücken.

Die Marke, gestaltet von zehn Designerteams und produziert von acht Lizenzpartnern, soll schnell wieder eine einheitliche Sprache sprechen, "nicht mehr so zerfasert aussehen", sagt er. Aber er sei "kein Typ, der irgendwo reingeht und sofort mit dem Maschinengewehr alles niedermetzelt, was nicht seinem Geschmack entspricht".

Er muss die Marke wieder fit machen

Trotzdem hat er alles, was ihm in seine ersten 100 Tagen bei Joop als nicht "zeitgemäß" auffiel, sofort ändern lassen. Er muss schließlich die Marke Joop wieder fit machen. Hinter dieser Aufgabe muss er als Designer zurücktreten-ein Schritt, den Wolfgang Joop niemals getan hätte.

Wann hat er sein Ziel erreicht? "Wenn Kunden durch die Tür kommen, mit denen keiner mehr gerechnet hat. Imagekunden, die sich wirklich die Super-Top-Marken kaufen." Besitzt er selber was von Joop? "Ja, eine Tasche." Im nächsten Moment will er den Satz zurücknehmen.

"Als Modedesigner war Joop nie existent"

2003 war Schönberger noch nicht so vorsichtig. Damals hat auch er über Joop gelästert. Fragte sich selbst in einem Interview:" Wo ist die Lebensleistung von Wolfgang Joop?"Und erzählte:"Mein Bruder hatte früher ein Sakko von ihm, da fiel nach dreimal Tragen auseinander. Als Modedesigner war Joop nie existent, nie wichtig."

An diese Schmähungen erinnert, muss Schönberger lachen. Ein Lachen, das Zeit schinden soll. Doch was ihm dann als Entgegnung einfällt, ist das Übliche: Das Zitat sei damals aus dem Zusammenhang gerissen worden. Bleibt die Frage, ob Schöneberger die Marke Joop wieder aufrichten kann.

Die Antwort darauf gibt der Designer am Ende seiner ersten Schau in Düsseldorf: Als er den Laufsteg betritt, um den Applaus des Publikums entgegenzunehmen wie eine frische Dusche, macht er den Eindruck, als wolle er sagen: War doch gar nicht schlecht für den Anfang, oder?

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