Heiligabend Wir können uns Weihnachten nicht entziehen. Aber warum eigentlich?

Mädchen an Weihnachten
Mädchen an Weihnachten
© Getty Images
Auch wenn so manchem Lebkuchen, Lametta und die schmalzigen Lieder im Radio auf die Nerven gehen – die Feierlichkeit sickert doch langsam in uns hinein. Warum ist das so? 

Dieser Artikel erschien zum ersten Mal zum Weihnachtsfest 2021. Er wurde aktualisiert.


Die Tage um Weihnachten sind die dunkelsten des Jahres. Lang sind die Nächte, bevor es dann nach der Wintersonnenwende nach und nach wieder heller wird.  Nach der Dunkelheit kommt wieder das Licht. Aber noch geht die Sonne schon am Nachmittag unter. Und draußen ist es kalt. Wir ziehen uns zurück in die Wärme der Wohnungen und Häuser. Kerzen brennen. Weihnachten ist untrennbar mit dem Feiern des Lichtes in der Dunkelheit verbunden. Der Tannenbaum mit seinen Kerzen  – das gezähmte Feuer drapiert am Baum, dem Fruchtbarkeitssymbol der alten Kulturen,   – markiert den Höhepunkt dieser Verbeugung vor der Helligkeit. Zeitenwende. Das Licht ist auch Wiedergeburt. Das Leben kehrt in die Natur zurück.

In diesen Tagen wurden die Götter geboren

Die Zeit der Wintersonnenwende war schon immer eine besondere in der Geschichte der Menschheit. In diesen Tagen wurden die alten Götter der Kelten, Germanen, Römer, Wikinger und Ägypter geboren: Dionysos, Mithras, Sol. Heidnische Götter heißt es. Aber auch das Christentum legt die Menschwerdung Gottes in die Zeit um die Wintersonnenwende. Wenn die Tage am dunkelsten sind, wird Gott geboren. "Das Licht leuchtet in der Finsternis" heißt es im Prolog zum Johannesevangelium. Jesus Christus als das Licht Gottes. "Und wer ihm nachfolgt", verspricht Johannes, "wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben."

So verschmelzen an Weihnachten die Verheißungen der alten heidnischen Götter mit denen der christlichen Religion. Es geht immer um Hoffnung, das Leben und das Licht. Und um Gemeinschaft.

Weihnachten will niemand allein sein

Selbst wer nicht religiös ist, kann sich dieser Stimmung kaum entziehen. Das Weihnachtsfest verspricht das Miteinander-Sein. Niemand will allein sein. Die Familien kommen zusammen. Und die Atmosphäre ist seit Wochen feierlich aufgeladen. Überall dekorierte Einkaufspassagen und Weihnachtsmärkte – sofern sie nicht coronabedingt abgesagt werden. Wunschzettel werden geschrieben. Und all die Lieder im Radio mit den stampfenden Jingle Bells. Auch, wenn einem das alles auf die Nerven geht – die Feierlichkeit sickert doch langsam in uns hinein. 

Und aus dem ganzen Land fahren kurz vor Weihnachten Töchter und Söhne nach Hause zu den Eltern. Oder die Eltern zu den erwachsenen Kindern. Wer nimmt Oma? Allein sein – das darf sie nicht. Gerade auch in Corona-Zeiten. Das letzte Fest mit den vielen Einschränkungen steckt uns ja noch in den Knochen. Auch wenn es nicht immer klappt – erstrebt werden Liebe, Harmonie und Frieden. Eine Pause von der alltäglichen Hektik, dem ewigen Kampf,  der das Leben eben auch ist.

Aufgeregte Kinder. Die Bescherung. Fast jeder erinnert sie noch gut – die vibrierende Ungeduld, die gespannte Erwartung, die man empfand, bevor es endlich losging. Dann der Gang ins Wohnzimmer mit dem Tannenbaum, unter dem die Geschenke lagen. Und manchmal fiel draußen in der Dunkelheit Schnee. Und in den Wohnungen der anderen sah man deren Tannenbäume leuchten. Dieses Weihnachtsgefühl wirkt als fernes Echo aus der Kindheit in uns allen nach. Und so mancher sehnt sich zurück nach der Intensität dieses kindlichen Fühlens. Diesem ganz Im-Hier-und-Jetzt-Sein. 

Die beste Story der Welt

Und auch für die, die sonst nicht in die Kirche gehen, gehört der Weihnachtsgottesdienst meist dazu. Mehr ein festliches, als ein religiöses Ritual – gewiss. Aber dann sitzen die Familien rausgeputzt in den Kirchenbänken und hören sie: die vielleicht erfolgreichste Story der Welt. Der phantastisch anmutende Plot mit seinen ärmlichen Hauptfiguren und all den Engeln, Hirten, Königen und den geheimnisvollen Zeichen am Himmel ist unschlagbar. Josef, der Zimmermann, muss akzeptieren, dass seine junge Frau von einem anderen schwanger ist. Er dürfe sie jedoch nicht verlassen, sagt ihm ein Engel im Traum. Maria muss glauben, dass sie Gottes Sohn in sich trägt. Und sie muss das Kind in einem Stall zur Welt bringen, weil in der Fremde in Bethlehem kein Platz für die Familie ist. Frühe christliche Überlieferungen verorteten die Geburt sogar in einer Höhle. Maria und Josef sind biblische Migranten, einem ungewissen Schicksal ausgeliefert. Und doch folgt dieses Schicksal einem Plan. Gott kommt zu den Menschen und wird Mensch an einem der unwirtlichsten Orte. Inmitten von Armut und absolutem Ausgeliefert-Sein. Die Botschaft ist klar, auch wenn die katholische Kirche davon heute weit entfernt, ist: Jesu Geburt ist ein Pakt mit der Armut und den Ausgestoßenen. Und sie ist ein Statement. Und dieses Statement sagt: In jedem Leid und auch in der Finsternis hat das Göttliche seinen Platz. 

Man würde sich wünschen, dass die Kirche diese Botschaft wieder erinnern und mehr "Licht in die Finsternis" bringen würde. Auch in die eigene.

Dieser Artikel erschien zum ersten Mal zum Weihnachtsfest 2021. Er wurde aktualisiert.

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