In Madrid mussten die Models vor den Modenschauen vor zwei Wochen wie Jockeys vor dem Pferderennen zum Wiegen antreten - nun schaute die Modewelt voller Spannung, ob Mailand nach der hitzig geführten Diskussion um angebliche "Skelett-Körper" ebenfalls zu drastischen Kontroll-Maßnahmen greifen würde. "Für uns gibt es keine Veranlassung, unsere Models zum Extra-Wiegen zu schicken", sagt Guido Dolci, Präsident der Associazione Servizi Moda (Assem), der Vereinigung der italienischen Modelagenturen im Interview mit stern.de. "Wer in Mailand als Model arbeiten will, unterliegt ohnehin strengen Kontrollen und Auflagen." Bereits seit mehreren Jahren sei es Assem-Praxis, die Mädchen nur mit einer ärztlichen Bescheinigung, einem Schulnachweis und bei Minderjährigen mit Begleitschutz eines Elternteils zu Fotojobs oder Modenschauen zu schicken.
Den so genannten Body Mass Index (BMI) als Bewertungskriterium für den Gesundheitszustand eines Models zugrunde zu legen, hält Dolci für völlig unangemessen. "Man kann nicht allein anhand von Körpergröße und Gewicht entscheiden, ob ein Mädchen gesund ist oder nicht. Es kommt auf den Knochenbau, die Muskulatur, Haut und Haare – eben ihre gesamte Erscheinung an. Und die prüfen wir sehr genau, bevor wir Models hier arbeiten lassen". Wäre man in der Vergangenheit den Vorgaben der spanischen Mode-Verantwortlichen gefolgt, hätten nicht einmal Supermodels wie Kate Moss, Naomi Campbell oder Gisele Bündchen die internationalen Laufstege betreten dürfen. Sie alle besitzen einen BMI von unter 18 - dem Schlankheitsquotienten, der in Madrid vor zwei Wochen zum Ausschluss zahlreicher Models geführt hatte.
Hier will keiner Schuld sein
Letizia Moratti, die Bürgermeisterin von Mailand, sieht das Problem jedoch in einem größeren, gesellschaftlichen Kontext: "Models sind Vorbilder für viele junge Menschen. Es ist Zeit, dass wir der Öffentlichkeit eine gesündere Variante der Weiblichkeit präsentieren." Bis eine Gesetzesvorlage erarbeitet sei, hoffe man auf die Einsicht der Designer und der Industrie, um die Jugend zu schützen.
Und was sagen die Kreativen? Die Modeschöpfer, die ihre Kleider für den Laufsteg zumeist in Größen produzieren, die später selten in den Läden hängen? Sie preisen die Frauen in all ihrer Weiblichkeit und wollen von einem echten Problem nichts wissen. So berichtete Donatella Versace der italienischen Zeitschrift "IO Donna" sie habe selbst in Zeiten, wo der so genannte "Heroin-Look" chic gewesen sei, immer "richtige" Frauen mit Rundungen und femininer Ausstrahlung gebucht. Auch Giorgio Armani beteuerte, er habe nie besonders magere Models haben wollen. Selbst Stefano Gabbana vom Duo Dolce & Gabbana, der am Montag in seiner Zweitlinie "D&G" sexy Klamotten an auffallend dünnen Mädchen zeigte, weist den Vorwurf zurück, er beschäftige magersüchtige Models. "Die Mädchen, die für uns arbeiten, sind von Natur aus dünn. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, das wäre diskriminierend. Ich habe einige anorektische Freundinnen und weiß wie krankhaft dünne Menschen aussehen. Professionelle Models ernähren sich ganz normal - andernfalls würden sie ihre Jobs gar nicht überstehen."
ASSEM-Präsident Guido Dolci ist sich sicher: "Diese Fake-Diskussion wird nach den Schauen ganz schnell wieder abebben. Durch diese künstlich ins Leben gerufene Debatte hat ein selbst ernannter Modestandort in Spanien plötzlich so viel PR wie nie zuvor bekommen. Hier in Mailand haben wir kein Problem mit krankhaft dünnen Models!"