Rammstein-Skandal Spendenaktion für mutmaßliche Lindemann-Opfer: So viel Hilfe ist mit 700.000 Euro möglich

  • von Gerrit-Freya Klebe
Rammstein-Frontmann Till Lindemann bei einem Konzert der Band 2016 in Dänemark
Rammstein-Frontmann Till Lindemann bei einem Konzert der Band 2016 in Dänemark
© CITYPRESS24/ / Picture Alliance
Über 700.000 Euro wurden online an Spenden für die mutmaßlichen Opfer von Till Lindemann gesammelt. Das Geld soll auch andere Betroffene ermutigen, die sich bisher noch nicht getraut haben, mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen. 

Es werden immer mehr Frauen, die ihre Stimme erheben, seit die Vorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann bekannt geworden sind.

Auch mit dem stern haben Betroffene aus verschiedenen Teilen der Welt, darunter Brasilien, Österreich und Deutschland, über ihre Erfahrungen gesprochen. Sie berichten von merkwürdigen Instagram-Nachrichten, von Backstage-Partys, auf denen sie sich mindestens unwohl fühlten, und von einem starken Machtgefälle, als sie dort waren. 

Doch viele von ihnen bekommen nun Post, denn Till Lindemann hat sich Unterstützung geholt von der Kanzlei Schertz Bergmann. Die hat in den letzten Tagen Unterlassungsforderungen an Privatpersonen verschickt.

Rammstein-Skandal: Dafür wird das gespendete Geld verwendet

Für die kann es dann schnell teuer werden. "Wie hoch der Streitwert angesetzt wird, ist von Fall zu Fall anders", erklärt Jannik Rienhoff im Gespräch mit dem stern. Er ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Strafrecht und hat schon einige #metoo-Fälle in der Branche vertreten. Normalerweise sei dieser Wert zwischen 5000 und 15.000 Euro angesetzt. "Im aktuellen Fall könnte er aber angehoben werden, weil Lindemann so populär ist."

Zusammen mit deutschen Promis hat Rienhoff deshalb auf der Spendenplattform "Better Place" die Kampagne "Wie Viel Macht 1€?" ins Leben gerufen. Das Ziel: Geld für die Betroffenen zu sammeln, damit sie sich gegen die Unterlassungsschreiben wehren können.

"Wir haben das in den Medien verfolgt, die Schreiben sind ja viral gegangen, und uns gedacht: Wir müssen dazu einen Gegenpol bilden, damit sich auch die Frauen die bestmögliche Hilfe leisten können."

Mehr Geld, als die Organisatoren erwartet hatten

In Videocalls und persönlichen Gesprächen wurde so recht schnell die Idee einer Spendenkampagne entwickelt. Anfang vergangener Woche sei die Idee entstanden, wenige Tage später ging sie schon online. Bekannte Gesichter, die an der Aktion beteiligt sind, sind Autorin Jasmina Kuhnke, die Schauspielerinnen Nora Tschirner und Jany Tempel, Komikerin Carolin Kebekus, YouTuber Rezo, Musikproduzent Roger Rekless und Aktivist Micha Fritz.

Inzwischen sind 760.161 Euro zusammengekommen, für Rienhoff ein Grund zur Freude. "Wir hatten schon damit gerechnet, dass wir Geld zusammenbekommen. Aber nicht, dass es so viel wird." Die Spenden sollen nun für Anwalts- und Prozesskosten, die Umsetzung von Schutzmaßnahmen und für die psychologische Beratung und Therapie verwendet werden.

"Und sie sollen ein Signal sein", betont Rienhoff. "Ein Signal an die anderen Frauen, die sich noch nicht getraut haben, sich zu äußern. Sie sollen wissen: Sie sind nicht allein. Durch die Kampagne sollen noch mehr Betroffene ermutigt werden, sich zu äußern." Das sei die Hoffnung.  

Wie vielen Frauen genau mit dem Geld geholfen werden könne, konnte Rienhoff allerdings nicht sagen. Aktuell gehe es vor allem darum, die Unterlassungsforderungen abzuwehren. Sollten sich Frauen dazu entscheiden, Anzeige gegen Lindemann zu erstatten, werden sie auch dabei finanziell unterstützt und könnten von Rienhoff rechtlich beraten werden.

Werden dann von Lindemann noch Gegenklagen eingereicht, etwa wegen Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung, könnten daraus Prozesse erwachsen, die länger als ein Jahr andauern könnten – und entsprechend teurer sind. Für solche und ähnliche Forderungen sollte das Geld erst einmal reichen.

66.170 Personen haben sich mit Spenden beteiligt. Zwischen fünf und 50 Euro lagen die meisten einsehbaren Beträge, einige waren aber auch höher und betrugen 100 oder 200 Euro. Manche Spender kommentierten auch etwas und begründeten so ihre Motivation: "Flagge zeigen! Zu oft wird Opfern m/w/d bei Missbrauch nicht geglaubt. Das können wir nicht hinnehmen!"

Andere schrieben: "Nur ein Tropfen, aber viele Tropfen bedeuten Regen!" oder "Unterstützung für die, die finanziell sonst benachteiligt wären. Für die Wahrheit, für euren Mut."

Anna Friedrich von der ebenfalls beteiligten Amadeu Antonio Stiftung schrieb zu der abgeschlossenen Spendenaktion auf "Better Place": "Es ist toll zu wissen, dass so viele Menschen hinter der Kampagne stehen. Sie macht deutlich: Betroffene von sexualisierter Gewalt sind nicht allein. Und sie können sich wehren und sich die Hilfe holen, die sie brauchen."

Till Lindemann streitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ab. Bis zu einem Beweis des Gegenteil gilt er als unschuldig.

Zusätzliche Quelle: "Better Place"

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