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Ja, ich will ... aber anders Drama wegen zwei Kilo: Wie meine Hochzeit fast zum Selbstliebe-Killer für mich wurde

Hochzeitskolumne: Braut sitzt unzufrieden auf einer Bank
Selbstliebe ist als Braut kurz vor der Hochzeit gar nicht mehr so einfach
© Digital Vision / Getty Images
Wenn die Hochzeit kurz bevor steht, ist Selbstliebe plötzlich gar nicht mehr so einfach, musste unsere Autorin feststellen. Wegen zwei mickriger Kilos wäre sie fast in ein Loch gefallen. Sie gibt Tipps, damit euch nicht dasselbe passiert.

NEON-Redakteurin Denise hat im Juni geheiratet – und ist damit in ihrem Freundeskreis eine der ersten. Da gab es erstmal tausende Fragen, auf die sie eine Antwort sucht. Die wichtigste: Wie will ich eigentlich heiraten? In der NEON-Hochzeitskolumne "Ja, ich will ... aber anders" erzählt sie von der Planung einer Feier gegen das Klischee.

Ich stand auf der Waage im Bad und bekam einen Schock. Gleichzeitig wusste ich, dass es absolut lächerlich war. Zwei Kilo. Seitdem ich mich das letzte Mal vor Wochen gewogen hatte, hatte ich zwei mickrige Kilos zugenommen. Eine Katastrophe – in meinem Kopf zumindest. Es waren nur noch drei Wochen bis zu meiner Hochzeit und ich hatte eigentlich noch tausend wichtigere Dinge zu tun, als mir um mein Gewicht Sorgen zu machen. Vor allem, weil ich weiß, dass ich eine vollkommen durchschnittliche Figur habe. Und weil ich finde, dass Äußerlichkeiten bei niemandem eine Rolle spielen sollten. Dass sich jeder so lieben sollte, wie er oder sie ist. Tja, und doch stand ich da auf dieser Waage und wollte heulen. Als ich anfing, darüber nachzudenken, wie ich in drei Wochen möglichst viel abnehmen könnte, war mir bewusst, was für bescheuerte Gedanken das waren – aber dagegen tun konnte ich nichts. 

Kurz vor der Hochzeit ein nervliches Wrack

In den folgenden Tagen entwickelte ich mich kurzzeitig immer wieder zu einem nervlichen Wrack und wollte jegliche vermeintlichen Makel an meinem Körper ausmerzen. Nur noch vegan essen, damit ich keine Pickel bekam (das hilft bei mir tatsächlich). Peelings, Masken und Cremes gegen die schon vorhandenen Pickel an meinem Rücken (hat nicht geholfen, sie sind drei Wochen später immer noch da). Kein Zucker mehr, damit aus den zwei keine fünf Kilo wurden (natürlich vollkommen gaga). Und beim Laufen aufpassen, damit auf meinen Beinen nicht noch mehr blaue Flecke wuchsen. Statt eines Brautkleides hatte ich mir nämlich einen kurzen Jumpsuit mit Spitzenärmeln schneidern lassen. Ich hatte einen ähnlichen vor zwei Jahren einmal auf Instagram gesehen und wusste sofort: Wenn ich mal heirate, dann so. Und doch träumte ich die Nächte vor der Hochzeit plötzlich davon, dass ich mir doch ein Kleid kaufte – weil ich Angst hatte, den Gästen nicht zu gefallen. Vollkommen bescheuert. 

Meine Hochzeit ist mittlerweile einige Tage her – und es war fantastisch. Trotz Pickeln, blauer Flecken und mit zwei Kilo mehr. Aber mit meiner Überreaktion die Wochen zuvor bin ich nicht allein, versichert mir Jenny von Nadelspitze, einer Schneiderei für handgefertigte Hochzeitsaccessoires. Sie hatte mir vor ein paar Monaten eine Mail geschrieben, in der sie erzählte, wie viele Kundinnen bei ihnen mit ihrem Selbstbewusstsein hadern. Also verabredeten wir uns – nach meiner Hochzeit – für ein Telefonat. "Besonders bei Strumpfbändern und Unterwäsche sind die Bräute unsicher", erzählt sie mir. Viele würden befürchten, es gäbe die Produkte gar nicht in ihrer Größe. "Durch eine unserer Insta-Stories ausgelöst, haben uns Frauen erzählt, dass ihnen in anderen Brautmodegeschäften vorgeschlagen wurde, zwei Strumpfbänder zusammen zu nähen – total ernst gemeint." Noch mehr "du bist zu viel, genauer gesagt sogar doppelt so viel, wie die Durchschnittsbraut" kann man mit so einem lapidaren Satz kaum ausdrücken. "Kein Wunder, dass bei sowas Unsicherheiten entstehen", sagt Jenny.

"Selbstbewusstsein spielt ja auch außerhalb der Hochzeit eine wichtige Rolle"

Aber was kann man tun? "Das ist etwas, das man nicht mal eben wieder herstellen kann. Das Selbstbewusstsein spielt ja auch außerhalb der Hochzeit eine wichtige Rolle", sagt sie. "Das wird über Jahre aufgebaut – oder eben nicht aufgebaut. Ich glaube, durch eine Hochzeit kommt das dann sehr punktuell zum Vorschein. Man muss so viele Entscheidungen treffen, die von allen beäugt werden." Es sei schwer, da mal eben so zu helfen. "Deswegen arbeiten wir schon immer Größen inklusive. Bei unseren Strumpfbändern gibt es kein Minimum und auch kein Maximum. Und es gibt auch keine Aufpreise oder so einen Schwachsinn. Auch unsere Unterwäsche wird bis zur größtmöglichen Größe angeboten. Oder kleinstmögliche. Wir versuchen ein Klima zu schaffen, durch das man sich gar nicht erst so fühlt, als müsste man sich für irgendwas entschuldigen", sagt sie. "Die Frauen kommen mit sehr viel Druck zu uns." 

Aufmerksam auf das Thema Selbstbewusstsein als Braut ist das Team vor allem durch eine Umfrage auf Instagram geworden. Jenny fragte die Follower, ob sie ein Boudoir-Shooting, also professionelle Fotos in Unterwäsche, machen würden. Diese sind besonders beliebt bei angehenden Bräuten. Für ihre Produkte lässt das Nadelspitze-Team regelmäßig leichtbekleidete Frauen modeln: Für Fotografen stellen sie zum Beispiel Dessous zur Verfügung und teilen die Fotos anschließend auf Instagram. 70 Prozent konnten sich so ein Shooting vorstellen, 30 nicht. Kein schlechtes Ergebnis, aber warum können sich manche Bräute sowas nicht vorstellen? Die Antworten haben Jenny schockiert: "Mir haben so, so viele Leute geschrieben, dass sie das nicht könnten, weil sie zu dick oder zu fett seien, ihre Haut hinge, oder die Beine nicht schön aussehen würden. Die Wortwahl war teilweise ziemlich heftig." 

Boudoir-Shooting als Selbstliebe-Boost?

Danach stand fest: Das ist ein Riesenthema. Im Gespräch mit den Models, die normalerweise für die Marke posieren, stellte sich heraus, dass vielen die Shootings zu mehr Selbstbewusstsein verholfen haben – "obwohl es gegensätzlich erscheint, wenn man sich unwohl fühlt, sich mit wenig Kleidung vor der Kamera zu zeigen", sagt Jenny. "Der Fotograf hat nochmal einen ganz anderen Blick auf den Körper – und der ist oft viel weniger kritisch als der eigene." Das stimmt, wie ich am Morgen meiner eigenen Hochzeit feststellen musste. Zwei Freundinnen hatten mir morgens Haare und Make-up gemacht und danach ging es zum professionellen Hochzeitsshooting vor der Trauung.

Ich bin ziemlich unfotogen – und das sage ich nicht aus falscher Scham. Das wurde selbst von meinem Mann, der mich sehr liebt und wunderschön findet, bestätigt. Mein Mund macht komische Sachen, sobald ich eine Linse sehe. Keine Ahnung warum. Vielleicht ist es mangelndes Training. Von Kameras halte ich mich privat gerne fern und es gab Zeiten, da existierten von mir so wenig Fotos, dass ich befürchtete, man hätte keine, falls ich mal vermisst werden würde. Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, aber auf den Hochzeitsbildern wollte ich natürlich perfekt aussehen – und musste ständig an meinem Mund denken. Und an meine (für mein Empfinden) zu hohe Stirn. Und an mein komisches Kinn. Die Fotografin zeigte uns zwischendurch immer wieder Fotos auf ihrer Kamera – und ich sah nur meine Makel. "Du bist so eine schöne Braut", sagte sie immer wieder.

In meinen Kopf ging es am Anfang nur: "Bauch einziehen. Kinn hoch. Mach den Mund nicht so komisch. Und was mache ich da mit meinen Händen?!" Aber irgendwann vergisst man das alles – und fängt endlich an, es zu genießen. Auch später bei der Trauung und anschließenden Party. "Du strahlst voll." Ich glaube, sowas hat vorher noch nie jemand zu mir gesagt. An dem Tag habe ich das aber zigfach gehört.

Das ist also dieser "Braut-Glow"

Als wir nach der Hochzeit die ersten Fotos von der Fotografin zugeschickt bekamen, habe ich dann auch endlich verstanden, was dieser "Braut-Glow" ist, von dem immer alle sprechen: Ich sah einfach schön aus. Pardon, wir sahen einfach schön aus. "Wenn der Fotograf gut ist, hat er den Blick für das Innere", sagt auch Jenny am Telefon. "Das ist das Verrückte, dass er nicht einfach den Körper fotografiert, sondern erkennt, wer man ist und das abbildet." Für meine Hochzeit habe ich zwei befreundete Fotografinnen engagiert, denn mir waren die Fotos unglaublich wichtig. Natürlich hat das seinen Preis. Aber ich kann nur jedem Brautpaar empfehlen, nicht bei den Fotos zu sparen. Mir haben sie so viel Selbstbewusstsein gegeben, wie es alle meine Freundinnen zusammen nicht geschafft haben. Manchmal muss man sich buchstäblich durch die Augen einer anderen Person sehen. 

Besonders in Zeiten von Social Media sei das ständige Vergleichen mit Schuld an all den Unsicherheiten, sagt Jenny. Deswegen habe auch ich in einer vorherigen Folge meiner Kolumne geraten: Finger weg von Pinterest und Instagram, sobald eure grobe Hochzeitsplanung steht – vor allem, sobald man ein Brautkleid gefunden hat, betont Jenny. "Im Prinzip wie bei dem Mann. Irgendwann sagt man halt: Der ist es jetzt – und dann hört man auf zu gucken." Sie lacht. An einer Hochzeit geht es vor allem um eins: das Brautpaar. Wenn euch etwas gefällt, dann lasst es euch von anderen nicht kaputt machen. Jenny findet: "Eine Hochzeit ist kein Tag für falsche Kompromisse."

Immer noch ein Tabu-Thema?

"Es kommt ganz viel Dankbarkeit, wenn wir das Thema in unseren Stories ansprechen", erzählt sie. Fehlendes Selbstbewusstsein vor der Hochzeit sei offenbar immer noch eine Art Tabu-Thema. Das ist auch der Grund für diesen Text und unser Telefonat. Erst kurz vor der Hochzeit habe ich gemerkt, wie groß der gesellschaftliche Druck ist, der besonders auf den Bräuten liegt. Alles soll perfekt sein. Man selbst soll perfekt sein ... natürlich alles Utopie. Aber man darf auch an sich selbst zweifeln und ein bisschen durchdrehen – denn ich kann Entwarnung geben: An der Hochzeit bekommt man von so vielen Leuten, die man gern hat, gesagt, wie schön man aussieht, dass man sich gar nicht anders fühlen kann. So ging es auch meinem Mann (an diese Bezeichnung muss ich mich immer noch gewöhnen). 

Die Zeit vor der Hochzeit hätte vielleicht fast mein Selbstbewusstsein gekillt, dafür war die Hochzeit selbst aber ein absoluter Selbstliebe-Boost. Kann ich nur empfehlen. Und auch Jenny hat noch einen letzten Rat: "Den Braut-Glow kann man übrigens jeden Tag haben – wenn man mit sich im Reinen ist."

Jede Woche gibt es eine neue Folge der NEON-Hochzeitskolumne "Ja, ich will ... aber anders". Alle bisherigen Kolumnen findet ihr hier:

Teil 1: "Ich heirate meinen ersten Freund: Warum ich keine Angst habe, etwas zu verpassen"

Teil 2: "Selbst ist die Braut: Darum habe ich gerne auf einen klassischen Heiratsantrag verzichtet"

Teil 3: "Ich hatte eine Verlobung ohne Antrag – brauche ich also überhaupt einen Ring?"

Teil 4: "Ringfoto und kitschige Liebesschwüre? Warum ich meine Verlobung nicht auf Instagram geteilt habe"

Teil 5: "Ist Heiraten eine Umweltsünde? Wie deine Hochzeit ganz einfach nachhaltiger wird"

Teil 6: "Keine Lust auf 08/15-Hochzeit? Bei diesen Einladungen sagt garantiert kein Gast ab"

Teil 7: "Danke, Theresia! Wegen deiner 'Hochzeit' habe ich keine Angst mehr vor meiner eigenen"

Teil 8: "Zwischen Rauchbomben, Eukalyptus und Pokémon: Wie viel Trend verträgt eine Hochzeit?"

Teil 9: "Von Braut zu Braut: fünf Tipps, mit denen du vor deiner Hochzeit nicht zur Bridezilla wirst"

Teil 10: "Wir wollen doch nur heiraten! Wie das Standesamt unser Endgegner wurde"

Fünf Tipps, wie man vor der Hochzeit nicht zur Bridezilla wird

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