Feinste Teilchen, die durch die Luft fliegen, sich auf der Haut, in den Haaren und in den Atemwegen niederlassen – Feinstaub ist meist nicht nur nervig, sondern gilt auch als gesundheitsschädlich. Um schlechter Luft vorzubeugen, führte Deutschland Ende vergangenen Jahres Dieselfahrverbote in Großstädten ein; weitere sollen 2019 folgen. Die Debatte um die Auswirkung von Luftverschmutzung auf unsere Gesundheit wird dabei hitzig geführt: So veröffentlichten 100 deutsche Lungenärzte ein Papier, in dem die Experten die vermeintliche Gefahr durch Luftverschmutzung relativierten – so schlimm sei das ganze gar nicht. Für ihre Meinung ernteten sie viel Kritik aus der Öffentlichkeit und von Mediziner-Kollegen. Später stellte sich auch noch heraus, dass sich die Lungenärzte verrechnet hatten.
Hat (Luft-)Verschmutzung also einen Einfluss auf unsere Gesundheit - oder nicht? Und wie schädlich ist sie wirklich?
Ein Faktor unter vielen
Schaut man auf eine aktuelle Studie britischer Forscher, sollten wohl gerade Millennials ihre Umwelt hinterfragen. Denn die Forscher fanden heraus, dass Kinder, die immer starker Luftverschmutzung ausgesetzt waren (zum Beispiel in Großstädten) ein deutlich höheres Risiko haben, an Psychosen zu erkranken. "Eines der deutlichsten Ergebnisse der letzten Jahrzehnte ist eine Verbindung zwischen Stadt und Psychose", sagte Joanne Newbury, Hauptautorin der Studie am King's College London gegenüber CNN. "Kinder, die in städtischen statt in ländlichen Gebieten geboren und aufgewachsen sind, entwickeln fast doppelt so häufig eine Psychose im Erwachsenenalter."
Studien fanden zum Beispiel heraus, dass die Gefahr, an Depressionen zu erkranken, in Städten signifikant höher liegt – die Ursachen dafür konnten bisher aber nicht explizit geklärt werden. Könnte also auch Luftverschmutzung ein Grund für Psychosen sein? So viel sei gesagt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Psychosen und Luftverschmutzung – aber nicht jeder, der in einer Gegend mit verschmutzter Luft lebt, leidet automatisch an Psychosen; es besteht also kein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Denn in Städten gibt es noch weitere Faktoren, die die psychische Gesundheit belasten können, wie beispielsweise Lärm.
Luftverschmutzung und Psychose
Um den konkreten Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Psychosen zu untersuchen, werteten die britischen Forscher Daten von über 2000 Teilnehmern aus, die zwischen 1994 und 1995 in England oder Wales geboren wurden. In regelmäßigen Abständen im Alter von 5, 7, 10, 12 und 18 Jahren befragten sie die Kinder zu ihren psychotischen Erfahrungen und setzten diese in einen Zusammenhang mit ihrem Lebensumfeld.
"Wenn wir über psychotische Erfahrungen sprechen, sprechen wir über Menschen, die Dinge hören, sehen oder erfahren, die andere Menschen nicht hören oder sehen, oder sich sehr paranoid fühlen." So wurden die Teilnehmer zum Beispiel gefragt, ob sie Stimmen hörten oder sich verfolgt fühlten. Nach Angaben der Forscher sind solche Symptome in der Bevölkerung relativ gängig und eine leichte Form von psychotischen Symptomen wie zum Beispiel Halluzinationen. 30 Prozent der befragten Teenager berichteten von diesen oder ähnlichen Erfahrungen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren. Im nächsten Schritt sammelten die Experten Daten aus Schadstoffmessstellen, um die Luftverschmutzung an den Orten zu bewerten, an denen die Jugendlichen die meiste Zeit verbrachten; dabei prüften sie eine Wohnadresse und zwei andere Orte, wie die Schule.
Bei Städteplanung bedenken
Unter Teenagern, die der stärksten Luftverschmutzung ausgesetzt waren, waren psychotische Erfahrungen signifikant stärker verbreitet – auch nachdem die Forscher Faktoren wie Zigarettenrauchen, Cannabisabhängigkeit und Kriminalitätsrate in der Nachbarschaft berücksichtigt hatten, die auch einen Einfluss auf dieses Krankheitsbild haben können. Die Teenager, die den höchsten Pegeln von Stickstoffdioxid, Stickoxiden und Partikeln ausgesetzt waren, hatten 71, 72 bzw. 45 Prozent höhere Quoten für psychotische Erfahrungen als die, die den niedrigsten Pegeln ausgesetzt waren. "Die Chancen nehmen allmählich zu, wenn man von einem ländlichen in einen Vorort in einen städtischen Bereich wechselt", sagte Newbury, wobei Teenager, die in den "meist städtischen Gebieten" leben, "94% größere Chancen auf psychotische Erfahrungen haben als diejenigen, die in ländlichen Gebieten leben".
Über die Frage, wie genau Luftverschmutzung Psychosen beeinflussen könnte, können die Forscher nur mutmaßen. Gase und Partikel könnten eine Hirnhautentzündung verursachen oder sogar die Entwicklung des Gehirn hemmen, so die Forscher. Andere Experten bewerten die Ergebnisse der Studie jedoch kritisch. Die Ergebnisse der Studie seien zwar wichtig, ein Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Psychosen müsste jedoch noch länger untersucht werden. Deutlich wird jedoch, dass Luftverschmutzung durchaus einen Einfluss auf die allgemeine Gesundheit von Menschen haben kann und dass diese Faktoren in Zukunft bei der Planung von Städten bedacht werden sollten.
