Es gebe "eine steigende Bedrohung durch fremde Mächte", warnte Dobrindt. "In Zeiten hybrider Bedrohungen und ausländischer Einflussnahme ist es wichtiger denn je, dass wir unsere Verfassung aktiv verteidigen", sagte der Minister weiter. "Dafür schaffen wir die rechtlichen und technischen Voraussetzungen, um das BfV zukunftsfest aufzustellen." Angesichts neuer Bedrohungen habe das BfV nun den Auftrag, "einen umfassenden Transformationsprozess durchzuführen".
Auch Verfassungsschutzpräsident Sinan Selen sprach von einer "Transformation" seiner Behörde, die ihre Rolle als "Abwehrdienst" stärken wolle. In seiner Rede auf dem Festakt zählte Selen die abzuwehrenden Bedrohungen auf: Es gehe "vor allem um hybride Bedrohungen, Sabotage, Spionage, Cyberangriffe und Einflussoperationen insbesondere durch Russland". Dazu zählten auch Drohnenüberflüge, Desinformations- und Diskreditierungskampagnen und Aktionen "bis hin zu Tötungsoperationen gegen erklärte Gegner".
Selen betonte, dass seine Behörde nicht mit einem in der Zukunft gelegenen Spannungs- und Verteidigungsfall zu tun habe, sondern mit Bedrohungen, "die hier und jetzt auf uns einwirken". Er warnte: "Insbesondere Sicherheit ist wieder ein äußerst knappes Gut, das aktiv von unseren Gegnern und systemischen Rivalen verknappt wird. Es gilt daher, die Sicherheitsarchitektur zu härten - technisch, physisch und mental."
Der Verfassungsschutzpräsident forderte eine Stärkung seiner Behörde und eine Ausweitung ihrer Befugnisse - auch "um uns mit den anderen europäischen Abwehrdiensten zu synchronisieren". Der Auftrag zum Schutz der Demokratie, dem das BfV nachkomme, sei im Vergleich zu früheren Jahrzehnten seines Bestehens schwieriger geworden: "In unserer praktischen Abwehrarbeit und Vorfeldaufklärung hat sich der Einsatzraum, seine Komplexität, die Anzahl der Gegner, ihre Fähigkeiten und die Geschwindigkeit drastisch erhöht."
Selens Auftritt bei dem Festakt war zugleich seine Antrittsrede als neuer Präsident des Verfassungsschutzes. Dobrindt bezeichnete Selen als "sensiblen und integren Wachmann", dem er seine "volle Unterstützung" zusichere. Angesichts wachsender Bedrohungen "sind wir immer stärker gefordert, diese Demokratie zu sichern", sagte der Innenminister.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte am 7. November 1950 mit Genehmigung der Westalliierten seine Arbeit aufgenommen. Sein Auftrag war die Sicherung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der im Jahr zuvor gegründeten Bundesrepublik. Die neue Bundesbehörde sollte das im Grundgesetz festgeschriebene Prinzip der wehrhaften Demokratie, die sich gegen ihre Feinde verteidigt, zur Geltung bringen.
Neu am Kompetenzzuschnitt des Verfassungsschutzes war das so genannte Trennungsgebot: Dem Amt, das als Inlandsnachrichtendienst fungierte, wurden keine polizeilichen Befugnisse eingeräumt. Polizei und Nachrichtendienste blieben getrennt. Damit brach die junge Bundesrepublik mit der Tradition der politischen Polizei, für die etwa die Gestapo in der Zeit der NS-Diktatur gestanden hatte.
Der Verfassungsschutz sei "ein Garant unserer Freiheit und der Schutzschild unserer Demokratie", sagte Dobrindt bei dem Festakt. "Er steht seit 75 Jahren dafür, dass aus der Geschichte unseres Landes die richtigen Lehren gezogen werden: Jede Demokratie braucht Demokratieschützer."
Als Inlandsnachrichtendienst hat das BfV die Aufgabe, Gefahren durch politischen Extremismus und Terrorismus sowie die Bedrohungen durch Spionageaktivitäten bereits im Vorfeld polizeilicher Maßnahmen aufzuklären. Dazu sammelt und bewertet das Amt Informationen über extremistische Strömungen, es ist aktiv bei der Spionageabwehr, beim Sabotageschutz und bei Sicherheitsüberprüfungen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat aktuell rund 4500 Mitarbeiter, die zum großen Teil an den Dienststellen in Köln und Berlin angesiedelt sind. Hinzu kommen noch die Landesverfassungsschutzämter der 16 Bundesländer.