Bundeskabinett beschließt deutliche Anhebung des Mindestlohns

Arbeiter in Duisburg
Arbeiter in Duisburg
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Das Bundeskabinett hat die kräftigste Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns seit seiner Einführung vor zehn Jahren beschlossen. Die am Mittwoch gebilligte Verordnung sieht vor, dass die Lohnuntergrenze in zwei Schritten angehoben wird: zum Jahreswechsel von derzeit 12,82 Euro auf 13,90 Euro und zum 1. Januar 2027 weiter auf 14,60 Euro. Insgesamt wird der Mindestlohn damit um 13,9 Prozent angehoben - Grüne und Linken kritisierten die schrittweise Erhöhung.

Die unabhängige Mindestlohnkommission hatte die Anhebung im Juni empfohlen, das Kabinett setzte die Empfehlung nun per Rechtsverordnung um. Laut Bundesarbeitsministerium profitieren rund sechs Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von der Erhöhung.

"Mit der zweistufigen Anhebung bekommen Millionen Beschäftigte spürbar mehr für ihre Arbeit - und die Unternehmen können die steigenden Kosten verantwortungsvoll über zwei Jahre verteilen", erklärte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss. Dies sei "ein wichtiger Schritt für mehr Gerechtigkeit und Anerkennung derer, die unser Land Tag für Tag am Laufen halten". Bei der Anhebung um fast 14 Prozent handle es sich um "die größte sozialpartnerschaftlich beschlossene Lohnerhöhung seit Einführung des Mindestlohns".

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sprach von einer "deutlichen Erhöhung", die "trotz der immer gleichen Widerstände" durchgesetzt worden sei. Die SPD erwarte weitere Steigerungen in Zukunft, machte der Generalsekretär klar. "Beim sozialpartnerschaftlich verhandelten Mindestlohn geht es immer um eine Lohnuntergrenze", sagte Klüssendorf der Nachrichtenagentur AFP. "Wir hören nicht auf, für bessere Löhne zu kämpfen."

Kritik an der schrittweisen Anhebung der Lohnuntergrenze kommt hingegen von der Opposition. "Ein Mindestlohn von 13,90 Euro in 2026 ist viel zu wenig", sagte der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch AFP. "Wer arbeitet, muss davon nicht nur überleben, sondern gut leben können. Stattdessen müssen Hunderttausende mit Sozialleistungen wie Wohngeld und Bürgergeld aufstocken, um über die Runden zu kommen."

Audretsch forderte die Bundesregierung auf, die Mindestlohnkommission zu reformieren, um so für eine höhere Entlohnung derer zu sorgen, "die tagtäglich im Niedriglohnsektor unsere Gesellschaft am Laufen halten".

"Eine echte Entlastung für die von der Inflation gebeutelten Menschen wird also in die ferne Zukunft verschoben", kritisierte auch Linken-Fraktionschef Sören Pellmann. Diese bräuchten aber gerade jetzt spürbare Lohnsteigerungen. "Auch die schon heute konstant wachsende Zahl von Menschen, die trotz lebenslanger Arbeit eine Armutsrente erhalten, wird sich aufgrund dieses unzureichenden Beschlusses nochmals erhöhen", warnte er.

Die Mindestlohn-Kommission besteht aus je drei von den Arbeitgebern und den Gewerkschaften entsandten Vertreterinnen und Vertretern, einer Vorsitzenden und zwei beratenden Mitgliedern aus der Wissenschaft. Gesetzlich geregelt ist, dass das Gremium alle zwei Jahre einen Vorschlag zur Anpassung des Mindestlohns vorlegt, den die Bundesregierung dann durch eine Rechtsverordnung verbindlich machen kann - aber nicht muss. 

Die Empfehlung zur nun vom Kabinett beschlossenen Erhöhung hatte die Kommission einstimmig getroffen. Die Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld warnte bei Bekanntgabe der Empfehlung im Juni zugleich vor "Versuchen der politischen Beeinflussung" - diese seien mit der gewollten Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission "nicht vereinbar".

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD und Union formuliert, dass "ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar" sei, die konkrete Höhe legt die unabhängige Mindestlohnkommission fest. Aus der SPD kamen aber in den vergangenen Wochen Rufe, die 15 Euro notfalls auch über einen politischen Beschluss durchzusetzen und damit die Kommission zu umgehen.

Davor warnte nun erneut die Union. Die Sozialpartner in der Mindestlohnkommission hätten mit ihrer Empfehlung "bewiesen, dass sie auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verantwortungsbewusst handeln", erklärte der arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Marc Biadacz (CDU). Dies zeige: "Wir brauchen auch künftig keinen politischen Mindestlohn."

AFP