Das EU-Gesetz für entwaldungsfreie Lieferketten verbietet den Verkauf von Produkten, deren Anbaugebiete nach 2020 abgeholzt wurden. Neben Kaffee, Kakao und Palmöl gilt dies auch für Soja, Kautschuk und Rindfleisch. Unternehmen sollen die Einhaltung mit Hilfe von satellitengestützten Ortsdaten in den Anbauländern sicherstellen und an Brüssel berichten.
Das Gesetz wurde 2023 verabschiedet, die Vorschriften greifen aber noch nicht. Wegen viel Kritik war das Inkrafttreten bereits verschoben worden. Etwa befürchten Waldbesitzer und Unternehmen der Lebensmittelindustrie einen zu hohen Verwaltungsaufwand. International hagelte es Beschwerden von Handelspartnern der EU, darunter Brasilien und Indonesien, weil die Anforderungen aus Brüssel am Ende bei den Bauern vor Ort liegen.
Stichtag für das Inkrafttreten ist aktuell der 30. Dezember dieses Jahres. Eine Mehrheit der EU-Staaten hatte sich in der vergangenen Woche ebenfalls für eine erneute Verschiebung um ein weiteres Jahr ausgesprochen. Darüber muss noch mit dem EU-Parlament verhandelt werden - dieses liegt mit seiner Positionierung nun weitgehend auf Linie mit dem Rat der Mitgliedstaaten.
Wie bereits vor zwei Wochen bei einer Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz hatten sich die Fraktionen von Konservativen (EVP), Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen zuvor allerdings nicht auf einen gemeinsamen Text einigen können. Für den vorliegenden Entwurf stimmten nun neben der EVP die Fraktionen EKR, PfE und ESN sowie Teile der liberalen Renew-Fraktion.
Die EKR wird neben der Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vor allem von der polnischen PiS dominiert, die PfE vom französischen Rassemblement National und der Fidesz von Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Der ESN gehören die AfD-Europaabgeordneten an.
Die EVP "hat unsere ausgestreckte Hand für einen Kompromiss der pro-europäischen Kräfte ausgeschlagen", kritisierte die SPD-Abgeordnete Delara Burkhardt. "Die Konservativen verbünden sich wieder mit der extremen Rechten", erklärte die Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini. "Das ist kein Ausrutscher, das ist eine Strategie."
Wie auch die Mitgliedstaaten sprach sich das EU-Parlament neben der Verschiebung auch für eine grundsätzlich Überarbeitung der Entwaldungsrichtlinie im kommenden Jahr aus. Dadurch soll das Gesetz weiter "vereinfacht" werden. Umweltschützer befürchten ein weitgehende Entkernung der Vorgaben.
Die Bundesregierung gehört auf EU-Ebene zu den Gegnern der Richtlinie. Auch deutsche Wirtschaftsverbände laufen seit Monaten gegen das Gesetz Sturm. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begrüßte nun die Entscheidung des EU-Parlaments. "Nachgelagerte Marktteilnehmer werden vor unnötiger Bürokratie bewahrt", erklärte ZDH-Chef Holger Schwannecke. Auch die geplante weitere Vereinfachung sei "notwendig und sinnvoll". "Ein Ende der Zitterpartie um eine praxisgerechte Umsetzung der Verordnung ist überfällig", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Vereins deutscher Maschinenbau-Anstalten (VDMA), Thilo Brodtmann.