Merz zufolge soll der Kredit erst dann zurückgezahlt werden, "wenn Russland die Ukraine für die verursachten Schäden entschädigt hat". Bis dahin sollen die russischen Vermögenswerte eingefroren bleiben. "Für diese umfassende Hilfe wird es Haushaltsgarantien der Mitgliedstaaten bedürfen", erklärte Merz. Diese könnten abgelöst werden, sobald der neue EU-Haushalt ab 2028 stehe, schlug der Bundeskanzler vor.
"Die so zu mobilisierenden Mittel würden die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine für mehrere Jahre absichern", argumentierte Merz. Er werde darüber mit den europäischen Staats- und Regierungschefs beim informellen Treffen in Kopenhagen am Mittwoch beraten. So könnte schon beim EU-Gipfel Ende Oktober in Brüssel der Auftrag erteilt werden, "dieses Instrument rechtssicher auszuarbeiten".
Merz' Aussagen entsprechen im Wesentlichen einem Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte für sogenannte Reparationsanleihen zu nutzen. Demnach sollen die russischen Vermögenswerte "unberührt" bleiben.
Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) erklärte, es sei "maximaler Druck" auf Russlands Präsident Waldimir Putin nötig, "damit er seinen brutalen Krieg gegen die Ukraine endlich beendet". Deshalb sei es "richtig, die eingefrorenen russischen Vermögen stärker zu nutzen. Deutschland ist bereit, neue Wege zu gehen, die rechtlich möglich und verantwortbar sind." Daran werde Deutschland auch "im Kreis der G7- und EU-Finanzminister weiter intensiv arbeiten". Die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine müsse gestärkt und "auf Jahre" abgesichert werden, erklärte der SPD-Chef.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen befürwortete den Vorschlag des Kanzlers. "Friedrich Merz geht in Europa voran und zeigt erneut Führung, indem er sich für eine Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögen zu Gunsten der Ukraine ausspricht." Durch die Nutzung der Gelder könnten "wir den Spieß umdrehen und die Verteidigung der Ukraine auf Jahre finanzieren", erklärte Röttgen. "Das wird umso wichtiger, je mehr Verantwortung Europa für seine eigene Sicherheit übernehmen muss. Es ist außerdem ein wichtiges Signal an unsere Bürger, die mit ihren Steuergeldern die Verteidigung der Ukraine mitfinanzieren."
Der Osteuropa-Beauftragte der Grünen-Bundestagsfraktion, Robin Wagener, erklärte um Vorstoß des Kanzlers: "Deutschland spielt bei der Nutzung der russischen Staatsgelder eine entscheidende Rolle." Wenn sich der Vorstoß aber als Ablenkungsmanöver zum Haushaltsverfahren entpuppe, "würde das unser aller Sicherheit gefährden". Wagener erklärte weiter: "Wir werden die Vorschläge von Friedrich Merz zur Nutzung der eingefrorenen russischen Staatsvermögen konstruktiv und kritisch prüfen."
In der EU war zuletzt kontrovers über die eingefrorenen russischen Vermögenswerte in Höhe von mehr als 210 Milliarden Euro diskutiert worden. Bisher waren lediglich deren Zinsen genutzt worden, um die Ukraine zu unterstützen. Angesichts klammer Haushaltskassen forderten einige EU-Länder die Beschlagnahmung des Geldes, um Kiew weiter helfen zu können. Andere Länder, darunter Deutschland, argumentierten bisher dagegen, unter anderem aus Angst vor juristischen Folgen sowie negativen Auswirkungen auf den Finanzplatz Europa.
Merz stellte sich in der "FT" erneut gegen eine "Konfiszierung" der in Europa eingefrorenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank und führte dabei "völkerrechtliche Probleme" sowie "grundlegende Fragen der Rolle des Euro als globaler Reservewährung" an. Zudem dürften die Mittel "allein für die Finanzierung der militärischen Ausrüstung der Ukraine" eingesetzt werden und sollen in Tranchen ausbezahlt werden.