Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft rechnet bei ihrer geplanten Wahl zur Ministerpräsidentin mit Stimmen auch aus dem schwarz-gelben Oppositionslager. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich auch Stimmen von CDU und FDP bekomme", sagte Kraft der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. Die für Mitte Juli geplante Wahl im Düsseldorfer Landtag sei schließlich geheim.
Unmittelbar vor den am Dienstagnachmittag beginnenden Verhandlungen zwischen SPD und Grünen über eine Minderheitsregierung widersprach Kraft zudem der Darstellung, sie lasse sich von der Linken tolerieren. "Wir gehen in eine rot-grüne Minderheitsregierung und setzen auf wechselnde Mehrheiten im Parlament", unterstrich die SPD-Landesvorsitzende. "Wir lassen uns also nicht von der Linkspartei tolerieren. Eine solche schriftliche Vereinbarung wird es mit der Linkspartei nicht geben."
SPD und Grünen fehlt im NRW-Landtag ein Mandat zur absoluten Mehrheit von 91 Stimmen. Das abgewählte CDU/FDP-Landesbündnis verfügt über 80 Sitze, die Linke stellt elf Abgeordnete. Kraft wird sich voraussichtlich am 13. oder 14. Juli im Landtag als Ministerpräsidentin zur Wahl stellen. Einen Gegenkandidaten wird sie nicht haben: Der geschäftsführende Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hatte am Wochenende angekündigt, er werde nicht gegen die Sozialdemokratin antreten.
Bei der ersten rot-grünen Verhandlungsrunde gut sechs Wochen nach der Landtagswahl wollen SPD und Grüne am Dienstag vor allem den weiteren Fahrplan der Beratungen festlegen und ihre Arbeitsgruppen benennen. Sollten es eine schnelle Einigung geben, könnte die Koalitionsvereinbarung am 10. Juli von Landesparteitagen abgesegnet werden. SPD und Grüne hatten sich bereits kurz nach der Wahl vom 9. Mai zu zwei Sondierungsrunden getroffen. Beide Seiten sprachen anschließend von einem großen Vorrat an Gemeinsamkeiten.
Als größter Knackpunkt gilt allerdings weiterhin die Energiepolitik. Dennoch ging SPD-Landesgeneralsekretär Michael Groschek von einer schnellen Verständigung aus. "Ich glaube, dass die Chancen gut stehen, dass wir uns schnell und gründlich einigen", sagte Groschek dem Sender MDR-Info. "Die vermeintlichen Konfliktthemen werden wir auch beherrschbar machen."
Kraft rief die anderen Landtagsfraktionen erneut zur Kooperation auf. "Wir laden alle anderen Parteien zur inhaltlichen Zusammenarbeit ein", sagte sie der "Bild". Es gehe um Perspektiven und eine gute Zukunft für das bevölkerungsreichste Bundesland. "Ich fordere CDU und FDP zur konstruktiven Mitarbeit auf." Kraft fügte hinzu, ihr sei "klar, dass unser Modell für viele neu ist, aber wir arbeiten an einer neuen politischen Kultur des Konsens". Dies könne "beispielhaft für Deutschland werden".
Auch die Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann bekräftigte die Einladung von Rot-Grün an alle Landtagsabgeordneten, sich an der Gesetzgebung zu beteiligen. Bereits im Koalitionsvertrag sollten "Anknüpfungspunkte" für andere Parteien formuliert werden, kündigte Löhrmann im RBB-Inforadio an. In den Kommunen des Landes seien wechselnde Mehrheiten üblich, daher könne dies auch im Düsseldorfer Landtag funktionieren. Die Minderheitsregierung mit der SPD sei nicht kurzfristig ausgelegt, sondern für die "nächsten Jahre".