Die Verurteilung von drei Mitgliedern der russischen Frauen-Punkband Pussy Riot zu je zwei Jahren Lagerhaft wegen Rowdytums aus religiösem Hass hat im In- und Ausland Kritik und Protest ausgelöst. Menschenrechtsorganisationen und Politiker äußerten sich empört über den Schuldspruch des Moskauer Gerichts.
Die Russlandexpertin von Amnesty International, Friederike Behr, sprach von einem "harten Schlag gegen die Meinungsfreiheit" und "politisch motiviertem Unrecht". Das Urteil sei nicht nur der Versuch, die drei jungen Frauen zum Schweigen zu bringen. Damit sollten auch alle anderen davor gewarnt werden, Präsident Wladimir Putin und seine Regierung zu kritisieren. Die Festnahmen am Rande der Urteilsverkündung zeigten, dass die Behörden weiterhin hart gegen Regierungsgegner vorgehen wollten.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte, sie sei von dem "unverhältnismäßigen" Urteil "zutiefst enttäuscht". Russlands Achtung rechtsstaatlicher Prinzipien werde dadurch in Frage gestellt.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte: "Das harte Urteil steht in meinen Augen in keinem Verhältnis zur Aktion der Musikgruppe". Er sei besorgt darüber, welche Auswirkungen die Strafe "für die Entwicklung und Freiheit der russischen Zivilgesellschaft ingesamt" habe, sagte Westerwelle dem "Tagesspiegel".
Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff, nannte die Kriminalisierung von Kritik am Staat einen "gefährlichen Präzedenzfall". Die Umstände des Verfahrens seien im Übrigen "höchst fragwürdig", fügte der Vize-Unionsfraktionschef hinzu. Auch das russische Recht schütze die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Kunst. Im konkreten Fall sei der "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" nicht geachtet worden.
SPD-Fraktionsvize Gernot Erler bezeichnete den Schuldspruch als "herben Rückschlag für alle Bemühungen, in Russland rechtsstaatliche Strukturen zu festigen". Seit Putins erneuter Amtszeit als Präsident sei zu beobachten, dass "mit Hilfe von Gesetzesverschärfungen die zunehmend mutiger auftretende Bürgergesellschaft eingeschüchtert werden" solle.
Für den menschenrechtspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Christoph Strässer, sind die drei Frauen "politische Gefangene". Sie hätten "mit friedlichen Mitteln in einer Kirche ihren politischen Protest ausgedrückt" und müssten "sofort und bedingungungslos" freigelassen werden. Auch das Linksfraktionsmitglied im Auswärtigen Ausschuss, Stefan Liebich, sprach sich für die umgehende Freilassung des Trios aus. Der "unsinnige Schauprozess" zeige erneut, dass sich Russland "immer weiter von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie" entferne.
Grünen-Chefin Claudia Roth sprach von einer "neuen Etappe im Prozess der Machtkonzentration durch das System Putin". Das harte Urteil sei "ein hinreichender Grund, den Ausschluss Russlands aus dem Europarat ernsthaft in Erwägung zu ziehen".
In Moskau wurden mehrere Unterstützer von Pussy Riot vor dem Gericht in wartende Polizeiwagen gezerrt. Auch in Samara an der Wolga gab es Festnahmen bei einer Kundgebung aus Solidarität mit den Musikerinnen. An einer Protestaktion vor der russischen Botschaft in Berlin beteiligten sich etwa 150 Menschen. In Paris, Brüssel, London, Madrid, Kiew und anderen Städten fanden ebenfalls Kundgebungen für Pussy Riot statt.