Noch vor dem Fußball-EM-Duell Griechenland gegen Deutschland hatte sich die Sportpresse des hochverschuldeten Landes kämpferisch gezeigt, den ungeliebten Zahlmeister zumindest auf dem Danziger Rasen zu besiegen. "Macht sie bankrott", "Bringt sie zum Schweigen", war auf griechischen Titelseiten zu lesen. In den Cafés im Athener Szeneviertel Thissio wurde es dann umso stiller, als sich am Freitagabend der deutsche Sieg abzuzeichnen begann. Doch die Buhfrau vieler griechischer Fans blieb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Als Giorgos Samaras - ein Namensvetter des neuen griechischen Regierungschefs Antonis Samaras -, nach der Pause den Ausgleichstreffer erzielte, herrschte kurzfristig Hochstimmung vor den Bildschirmen. "Griechenland olé olé", riefen die griechischen Fans. "So machen die euch fertig, die euch was schulden", war in Anspielung auf die Euro-Hilfskredite für das schuldengeplagte Land zu hören.
Und wenn die Kanzlerin, die im Stadion in Danzig das Spiel verfolgte, in ihrem mintgrünen Jackett auf dem Bildschirm erschien, sorgte das jedes Mal für Buhrufe. "Wir buhen Merkel aus, weil sie uns so viele Dinge auferlegt hat", sagte der in eine griechische Flagge gehüllte 17-jährige Ierasimos Paterakis.
Viele Fans erhoben beim Anblick Merkels die geöffnete Hand, in Griechenland ein Zeichen des Fluchs. Die Kanzlerin gilt ihnen als die Symbolfigur für den verhassten Sparkurs, der Athen von den internationalen Geldgebern auferlegt wird. "Wir wollen ihnen zeigen, dass wir mehr sind als das, was Merkel sagt", rief der Fan Meletis Remoussis.
Merkel selbst hatte die politische Bedeutung des Spiels vor der Partie relativiert: "Es ist vor allem ein Fußballspiel", sagte sie dem ZDF. Dem griechischen Ministerpräsidenten begegnete die Kanzlerin in Danzig nicht. Antonis Samaras musste sich in Athen einer Augen-OP unterziehen.
Als dann noch drei deutsche Tore fielen und die Partie entschieden war, war die Enttäuschung bei den Fans in Athen zwar groß, die Atmosphäre blieb aber sportlich: "Wir haben nichts gegen die Deutschen oder die Spieler", sagte der Cafébesitzer Fotis Triantis. Deutschland sei klar das bessere Team gewesen.
"Sie mögen gewonnen haben, aber wir haben es ihnen schwer gemacht", sagte Dimitris Karabatsis. Drei deutsche Fans, die sich kaum zu outen wagten, zeigten sich besonders versöhnlich: "Es ist nur ein Spiel", versuchte eine 30-jährige Touristin aus Aachen ihren griechischen Sitznachbarn zu trösten.
Friedlich ging es auch in Danzig zu, wo tausende deutsche und griechische Fans ihre Mannschaften unterstützten. Es habe nur einen kleineren Zwischenfall gegeben - zwischen deutschen Fans und einem polnischen Anhänger, sagte der Sprecher der deutschen Polizei vor Ort, Jan Schabacker, dem Sport-Informations-Dienst (SID). "Das ist weniger als auf einem Schützenfest oder beim Karneval."