Rotes Kreuz: Massenevakuierung der Stadt Gaza ist "unmöglich"

Menschen auf der Flucht im Gazastreifen
Menschen auf der Flucht im Gazastreifen
© AFP
Angesichts der für die Stadt Gaza angekündigten israelischen Militäroffensive hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) vor Risiken einer Evakuierung der palästinensischen Zivilbevölkerung gewarnt. "Eine Massenevakuierung von Gaza-Stadt kann unter den gegenwärtigen Umständen niemals auf sichere und würdevolle Art und Weise umgesetzt werden", erklärte IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric am Samstag. Die Hamas-Behörden meldeten dutzende Tote bei neuen israelischen Angriffen in dem Palästinensergebiet.

Viele Menschen seien nicht in der Lage, einer Evakuierungsanordnung zu folgen, "weil sie hungern, krank oder verletzt sind", erklärte Spoljaric. Gemäß des humanitären Völkerrechts müsse Israel bei Anordnung einer Evakuierung jedoch alles dafür tun, "um sicherzustellen, dass die Zivilbevölkerung über angemessene Unterkünfte, hygienische Bedingungen, medizinische Versorgung, Sicherheit und Nahrungsmittel" verfüge. 

Mit Blick auf die massive Zerstörung und katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen seien diese Bedingungen jedoch nicht erfüllt, was eine Evakuierung "nicht nur unmöglich, sondern unter den gegenwärtigen Umständen völlig unverständlich" mache.

Am Freitag hatte die israelische Armee die Stadt Gaza zum "gefährlichen Kampfgebiet" erklärt und eine seit Ende Juli geltende Beschränkung der Kampfhandlungen aufgehoben.

Eine Evakuierung der Stadt Gaza kündigte die Armee damit noch nicht an. Am Mittwoch hatte sie jedoch erklärt, diese sei angesichts der bevorstehenden Offensive "unvermeidlich". Die Stadt Gaza gilt als eine der letzten Hochburgen der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen.

Bei israelischen Angriffen in dem Palästinensergebiet wurden am Samstag nach Angaben des Hamas-Zivilschutzes 57 Menschen getötet. Die israelische Armee gab auf Anfrage zunächst keine Stellungnahme ab. Der Gazastreifen ist für ausländische Medien nur stark eingeschränkt zugänglich, AFP kann die Angaben deshalb nicht unabhängig überprüfen.

Die Hamas und mit ihr verbündete Palästinensergruppen hatten den Krieg mit ihrem brutalen Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst. Israel greift seither massiv militärisch im Gazastreifen an. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Behörden knapp 63.000 Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Die Informationen können nicht unabhängig überprüft werden, werden von UN-Vertretern aber als plausibel eingestuft.

Bei dem Hamas-Großangriff am 7. Oktober 2023 waren nach israelischen Angaben mehr als 1200 Menschen getötet worden, 251 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer werden 47 Menschen von der Hamas festgehalten, mindestens 27 von ihnen sind nach israelischen Angaben tot.

In Tel Aviv demonstrierten am Samstagabend erneut tausende Menschen für eine Freilassung der Geiseln. Einav Tsangauker, deren Sohn Matan von der Hamas weiterhin festgehalten wird, warnte Regierungschef Benjamin Netanjahu vor einer Ausweitung des Armeeeinsatzes im Gazastreifen.

"Wenn Netanjahu sich dafür entscheidet, den Gazastreifen zu besetzen, anstatt den aktuellen Entwurf für ein Abkommen zu akzeptieren, wird das die Hinrichtung unserer Geiseln und geliebten Soldaten bedeuten", sagte sie bei der Kundgebung. im Ringen um eine Waffenruhe-Abkommen hatten die Vermittler einen Entwurf vorgelegt, der eine schrittweise Freilassung einiger Geiseln vorsieht. Die Hamas stimmte dem Vorschlag nach eigenen Angaben zu, Israel hat noch keine offizielle Stellungnahme abgegeben. 

Tsangauker sagte, sie werde Netanjahu zur Rechenschaft ziehen, falls ihr Sohn in Gefangenschaft stirbt. Sollte ihr Sohn "in einem Sarg zurückkehren", werde sie dafür sorgen, dass der Regierungschef "wegen vorsätzlichen Mordes angeklagt" wird.

AFP

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