Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok unterstützt die Grundsatzkritik von Altkanzler Helmut Kohl an der Außenpolitik der Regierung. "Helmut Kohl sagt sehr viel Richtiges", sagte Brok der "Passauer Neuen Presse" vom Freitag. Ein alter Grundsatz seiner Außenpolitik sei die Bündnisorientierung gewesen. Brok kritisierte in diesem Zusammenhang den außenpolitischen Kurs der aktuellen Regierung: "Die Enthaltung Deutschlands in der Libyen-Frage war ein grober politischer Fehler. Das sieht nicht nur Helmut Kohl so, sondern auch viele andere in der Union."
Aber nicht nur in der Union selbst ist das Interview von Helmut Kohl ein Thema. Die SPD hat die Bundesregierung davor gewarnt, das Erbe der Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) und Willy Brandt (SPD) durch außenpolitische Alleingänge zu verspielen. SPD-Fraktionsvize Gernot Erler sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag): "Es ist ein gewichtiger Vorgang, wenn ein Mann wie Helmut Kohl, der erfolgreich an Adenauers Politik der Westbindung und Brandts Ost- und Entspannungspolitik angeknüpft hat, diese Traditionen in Gefahr sieht."
Erler betonte, Deutschland müsse europäischer sein als andere Staaten und mehr europäische Verantwortung übernehmen, auch wenn das unpopulär sei. Sonderwege wie die deutsche Enthaltung in der Abstimmung des UN-Sicherheitsrates über den Libyen-Einsatz dürften sich nicht wiederholen. Der SPD-Politiker kritisierte auch die Aussage von Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Deutschland müsse sich auf eine neue Welt mit neuen Kraftzentren einstellen. Er fragte: "Soll das bedeuten, dass wir jetzt die Partnerschaft mit Frankreich und die Partnerschaft mit den USA hinter uns lassen?"
Krampfhaft die Koaltion über den Tag bringen
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gab Altkanzler Kohl in seiner Kritik an der Außenpolitik der Bundeskanzlerin erneut Recht. "Niemand weiß, wo Merkel steht, wo sie hin will und ob sie Werte und Prinzipien hat, nach denen sie handelt", sagte Steinmeier der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen" (Freitag). Die Kanzlerin versuche nur noch krampfhaft, ihre Koalition über den Tag zu bringen. "Europa erwartet mehr von Deutschland, auch Führung." Der ehemalige Außenminister stellte fest: "Innerhalb von nur zwei Jahren haben wir uns aus dem Zentrum an den Rand der europäischen Willensbildung drängen lassen. Das ist bitter."