Wilde Spekulationen ranken sich inzwischen um das Schicksal der 14 europäischen Geiseln, die seit rund fünf Monaten in der Sahara in der Gewalt der islamistischen Gruppe GSPC sind. Diese ist weniger für religiösen Fanatismus als vor allem für Räuberei und Schmuggel bekannt. Einen Tag heißt es, es seien 64 Millionen Euro Lösegeld gefordert worden, am nächsten Tag gibt es Berichte, dass sechs Geiseln krank seien. Dann soll angeblich eine Militäraktion der algerischen Sicherheitskräfte bevorstehen, oder es heißt, die Entführer stellten unerfüllbare Forderungen. Viele dieser Berichte stammen aus der algerischen Zeitung «El Watan», der eine Nähe zum algerischen Sicherheitsapparat nachgesagt wird. Der Wahrheitsgehalt dürfte bei einigen Berichten wohl gegen Null tendieren.
Ständiger Telefonkontakt
So gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass es den Geiseln in der nordmalischen Sahara gesundheitlich schlecht geht. Vielmehr hat die Bundesregierung den neun Deutschen, vier Schweizern und einem Niederländer Medikamente und Lebensmittel geschickt. Doch wo sich die Geiseln genau aufhalten und in wie viele Gruppen sie aufgeteilt sind, bleibt im Dunkeln. Auch die Zahl der Kidnapper ist unklar. Ihr Anführer ist dem Vernehmen nach der ehemalige algerische Fallschirmjäger Abderrezak Lamari. Kürzlich wurde bekannt, dass die Bundesregierung einen ständigen Telefonkontakt zu den Entführern hat. Damit dürften in gewissem Maß auch Informationen über den Zustand der Geiseln zu erhalten sein. Die Entführer hatten zudem am 20. Juli ein Video von ihren Gefangenen gedreht.
Keine direkten Verhandlungen
Doch Kontakt bedeutet nicht verhandeln. Die geltende Devise der Bundesregierung lautet: Mit Kidnappern wird nicht direkt verhandelt. Das haben die Kidnapper entgegen anders lautenden Medienberichten offensichtlich auch nie gefordert. Die Verhandlungen führt dem Vernehmen nach ein Team im Auftrag der malischen Regierung. An der Spitze dieser Gruppe steht offenbar ein Provinz-Gouverneur. Auch der angesehene Tuareg-Führer Iyad Ag Agaly, der vor Jahren den Aufstand der Tuareg gegen die malische Regierung anführte, wird in den Medien als Mittelsmann genannt. Er ist aber offensichtlich nicht der Hauptunterhändler.
In der Wüste hat man Zeit genug
Ein Ende des zermürbenden Nervenkriegs um die Geiseln ist nicht absehbar. Für den Weg zu den Entführern in der Wüste brauchen die Unterhändler mehrere Tage. Außerdem ist das Zeitgefühl der Wüstenbewohner das Gegenteil von der Hektik des Westens. Wer in der Wüste lebt, hat Zeit. Dennoch wird auch in der Sahara der Druck größer, eine Lösung herbeizuführen. So dürften die Regionalführer in Mali ein Interesse an einer Beendigung des Dramas haben, um ihre Geschäfte in der Wüste - etwa Schmuggel - ungestört fortsetzen zu können. Außerdem geht die Regenzeit in Mali im Frühherbst zu Ende. Noch gibt es in der Wüste genug Wasser. Aber schon in einigen Wochen könnte es schwierig für die Entführer werden, ihre Gefangenen zu versorgen.
Spekulationen über den Gesundheitszustand...
"Je länger die Verhandlungen dauern, desto Besorgnis erregender wird die Situation für die Geiseln", verlautete jetzt aus Diplomatenkreisen. "Ihre einzige Hoffnung ist, dass die Entführer wissen, dass eine tote Geisel nicht sehr viel wert ist - es ist in ihrem Interesse, dass sie am Leben bleiben." Die Schweizer Zeitung "Blick" berichtete, Deutschland und die Schweiz hätten ihre Verhandlungsteams verstärkt. Unter den 14 von radikalen Moslems von Algerien nach Mali verschleppten Geiseln sind neun Deutsche, vier Schweizer und ein Niederländer.
... und den Aufenthaltsort
Mindestens ein Teil der Geiseln soll inzwischen in die Gegend westlich von Taoudenni gebracht worden sein, eine Region, die für ihre Salzminen bekannt ist und wo die Temperatur 45 Grad erreichen kann. Nahrungsmittel und sauberes Wasser sind dort rar, Durchfall, Hitzeschlag und Skorpione bedrohen nicht minder Gesundheit und Leben der Geiseln. Eine deutsche Geisel ist bereits vor Wochen in Algerien an einem Hitzeschlag gestorben.
Kein Ende des Geiseldramas in Sicht
"Blick" (Samstagausgabe) berichtete vorab, der ehemalige deutsche Botschafter Karl Prinz sei nun an den Verhandlungen beteiligt. Das Blatt zitierte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes mit den Worten, Prinz sei derzeit nur in Mali zu erreichen. In dem Bericht hieß es weiter, Prinz sei in Mali sehr beliebt und kenne das Land sehr gut. Zudem seien zwei Schweizer Spezialisten nach Mali gereist. Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten habe dazu keine Stellung bezogen, hieß es. Deutsche Medien hatten berichtet, für die Freilassung der Geiseln sei ein Lösegeld von 4,6 Millionen Euro pro Person gefordert worden. Zudem verlangen die Entführer offenbar Sicherheitsgarantien von der Regierung Malis.