Entführung SEK beendete Geiselnahme

Ein Sondereinsatzkommando der Polizei hat anders als zunächst angegeben den entführten Bremer Bus bei Hildesheim gestürmt und damit die Geiselnahme beendet. Bei dem Geiselnehmer soll es sich um einen 17-jährigen Libanesen handeln.

Das Sondereinsatzkommando (SEK) habe den Geiselnehmer um 16.13 Uhr überwältigt, sagte ein Sprecher der Hildesheimer Polizei am Freitag. Schüsse seien bei der Festnahme nicht gefallen. Das SEK habe einen Moment der Unaufmerksamkeit des Entführers ausgenutzt und den Bus gestürmt. Der bewaffnete Täter sei im Laufe des Nachmittags immer müder geworden. Eine Sprecherin der Bezirksregierung Hannover sagte, bei dem Täter handele es sich um einen 17 Jahre alten Libanesen. Seine Motive seien jedoch noch unklar. Zunächst hatte es geheißen, der Entführer habe freiwillig aufgegeben. Zuvor hatte er den Bus mit seinen Insassen zu einer rund 150 Kilometer langen Fahrt gezwungen, die kurz vor Hildesheim endete. Die Beamten stiegen in das Fahrzeug, nachdem der Täter die letzten der zeitweise bis zu 16 Geiseln frei gelassen hatte. Alle blieben nach ersten Angaben unverletzt. Sie wurden nach ihrer Befreiung von Psychologen betreut.

Politische Motive

Die Bremer Staatsanwaltschaft schließt nicht aus, dass die Entführung eines Linienbusses durch einen 17-Jährigen aus dem Libanon stammenden Deutschen einen islamistischen Hintergrund hatte.

Die Eltern des jungen Mannes hätten die Polizei am Morgen alarmiert, weil ihr Sohn möglicherweise "gegen Israel in den Krieg ziehen“ wolle, sagte der Bremer Staatsanwalt Uwe Picard am Freitagabend bei einer Pressekonferenz in Hannover. Sie hätten befürchtet, dass ihr Sohn Dummheiten machen könnte. "Dieser Junge hat nur Blödsinn im Kopf“, hätten sie gesagt. Außerdem habe der junge Mann die Freilassung von vier inhaftierten Mitgliedern der Islamisten-Organisation El Kaida gefordert.

Seine Motivation sei noch völlig unklar, sagte Picard. Er wolle daher nicht spekulieren. Die Waffe des Täters erwies sich nach Angaben der Polizei als Neun-Millimeter-Schreckschuss-Pistole. Unklar sei weiter, ob es sich bei einem von dem Täter als Brandsatz bezeichneten Paket um eine Attrappe handle. Die Ermittler hätten das verdrahtete Paket, in dem sich angeblich mit Spiritus gefüllte Flaschen befanden, mit einem Wassergewehr beschossen, ohne dass etwas passiert sei.

An Bord ist ein Mann mit Waffe

Der junge Mann hatte den Bus der Linie 120 gegen 9.40 Uhr in Bremen entführt. Das Fahrzeug war auf der Strecke Kirchweyhe-Bremen in der Nähe des Flughafens in Richtung Innenstadt unterwegs gewesen. Wenig später meldet sich der Busfahrer über Funk in seiner Zentrale: «Ich bin auf dem Weg nach Hannover. An Bord ist ein Mann mit Waffe», sagte der 35-Jährige. Ein Zeuge hatte die Szene beobachtet und sofort die Polizei alarmiert.

Die Beamten konnten einen Kontakt zum Kidnapper aber erst mehr als zwei Stunden später herstellen, als die Fahrt bei Klein Förste in der Nähe von Hildesheim endete. Der Geiselnehmer forderte in Gesprächen durch die Bustür und am Telefon ein neues Handy, Verpflegung und Getränke. «Er macht einen kontrollierten und gefassten Eindruck», sagt ein Polizeisprecher.

Die Verhandlungen

Später verlangte der 17-Jährige einen Kontakt zum Bremer Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und einen zweiten Fahrer, der den Bus weiter in Richtung Süden steuern sollte. Zudem habe er Forderungen politischen Inhalts gestellt. Einzelheiten dazu wurden zunächst nicht bekannt. Henning Scherf war nach Angaben der Senatskanzlei zur Hilfe bereit, wurde aber nicht als Vermittler eingeschaltet.

Nach und nach ließ der Täter dann bis gegen 16.00 Uhr in Etappen mehrere Geiseln frei, darunter eine unter Kreislaufproblemen leidende Frau. Wenig später durften auch die letzten sechs Menschen den Bus verlassen.

Bus-Entführung in Berlin

Erst vor zwei Wochen kaperte ein Bankräuber einen Linienbus in Berlin. Die Geiseln wurden bei einer Blitzaktion der Polizei befreit. Unwillkürlich wurden auch bei neuen Tat die Bilder vom Geiseldrama im nordrhein-westfälischen Gladbeck 1988 wach, als Geiselgangster auf ihrer Flucht ebenfalls in Bremen einen Bus mit 35 Menschen kaperten. Tote, Verletzte und jede Menge Kritik an der Arbeit der Polizei und der Medien waren damals die Folge. Das Drama dauerte 54 Stunden.

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