Experten-Interview nach Germanwings-Absturz Wie sicher sind die Flieger von Airbus?

Der Absturz der 4U9525 ist nicht der erste Zwischenfall mit einer Airbus-Maschine in jüngster Zeit. Flugsicherheitsexperte Jan Richter über Probleme bei Airbus und Gefahren der modernen Luftfahrt.

Herr Richter, der Absturz der Germanwings 4U9525 ist nicht die erste Katastrophe bei Airbus. Erst im Dezember stürzte ein A320 der Air Asia ab, im November kam es zum Beinahe-Crash einer A321 der Lufthansa. Wie gefährlich sind die Airbus-Maschinen?
Es gibt kein generelles Problem mit dem Airbus. Der A320 und die anderen Airbus-Typen fliegen seit Jahrzehnten sicher herum. In jüngster Zeit gab es zwar mehrere Zwischenfälle. Im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern ist das aber immer noch wenig. Der Airbus bleibt ebenso wie die Luftfahrt insgesamt ein sicherer Verkehrsträger.

Wie riskant ist es, dass vor allem der Computer fliegt und nicht mehr der Pilot?


Airbus überlässt den Piloten weniger Handlungsspielraum als andere Hersteller wie Boeing, die den Piloten mehr in die Abläufe während des Fluges einbeziehen. Die Erfahrung gibt dieser Philosophie aber durchaus recht. Viele Unfälle lassen sich dadurch verhindern. Aber natürlich: Jede Komponente, die in einem Flugzeug verbaut ist, kann kaputtgehen oder fehlerhafte Daten liefern.

Jacdec

Das von Jan-Arwed Richter und Christian Wolf betriebene Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre (Jacdec) erstellt Flugsicherheitsrankings und hat Daten von mehr 30.000 Zwischenfällen in der Luft ausgewertet.

Verlässt man sich zu sehr auf die Technik?
Es gibt genug Fälle, wo es andersherum läuft. Wo man nicht Angst haben muss, was der Computer macht, sondern was die Piloten machen. Zum Beispiel beim Absturz der Air France 447 von Brasilien nach Paris. Hätten die Piloten da gar nichts gemacht, wäre das Flugzeug nicht abgestürzt. Das sagen alle Experten und der Unfallbericht. Aber natürlich sind Computer nicht fehlerfrei, sie sind schließlich von Menschen programmiert.

Wer ist das größere Problem - Mensch oder Maschine?


Langfristig gibt es zwei große Trends: Zum einen, dass es immer weniger Unfälle gibt - mit Ausnahme des letzten Jahres. Zum anderen, dass der Faktor Mensch eine immer größere Rolle spielt. In den 60er und 70er Jahren hatte die Mehrheit aller Fälle eine technische Ursache. Jetzt ist es so, dass die Technik eine geringere Rolle spielt als Missverständnisse, oder Fehleinschätzungen des Personals. Nicht nur von den Piloten, sondern auch beim Bodenpersonal, den Fluglotsen, allen Menschen die in dem System mitarbeiten.

Sind die Piloten überfordert?
Nein. Piloten sind nach wie vor eine der bestausgebildeten Berufsgruppen, die wir in diesem Land haben. Selbst im Berufsleben werden sie mehrfach im Jahr gecheckt, nicht nur medizinisch, sondern was ihre gesamte Leistungsfähigkeit anbelangt, etwa wie sie in Notfällen reagieren. Piloten, die in Europa ausgebildet sind, erfüllen da alle Anforderungen.

Die Lufthansa will sparen und die Germanwings-Tochter in der noch billigeren Gesellschaft Eurowings aufgehen lassen. Macht diese Billigpolitik das Fliegen unsicherer?


Nein. Dass der Wandel vom Premium-Carrier zum Low-Cost-Carrier mit einer Einbuße an Flugsicherheit einhergeht, ist nicht erkennbar. Die Billigflieger Ryanair und Easyjet beispielsweise hatten noch kein einziges Todesopfer zu beklagen.

Interview: Daniel Bakir

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