Bis zu 13 Grad warm war es heute Mittag in Teilen Baden-Württembergs - und in anderen Gegenden Deutschlands ist es nicht viel kühler. Wer spazieren geht und die Vögel zwitschern hört, könnte leicht auf den Gedanken kommen: Ja, ist denn schon Frühling? "Der Winter kämpft um seine Daseinsberechtigung", resümiert Meteorologe Udo Baum von der Website "Wetter.net". Zum Wochenwechsel sollen die Temperaturen zwar fallen, derzeit herrscht aber noch eine Wärme, die nicht nur von vielen Menschen als unnatürlich empfunden wird. Auch die Natur schlägt bei dem warmen Wetter Kapriolen.
Unerfreulich sind die warmen Tage für Pollenallergiker. Wegen der hohen Temperaturen fliegen in Teilen Deutschlands bereits die Hasel- und Erlenpollen. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) gibt es in Nordrhein-Westfalen, im Saarland und im Frankfurter Raum eine Belastung, wenn auch eine geringe. Auch in Sachsen, Teilen von Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden schon Pollen registriert. Beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB) in Mönchengladbach gingen bis zum Donnerstag mehr als 200 Meldungen von Betroffenen ein, wie die Organisation mitteilte.
Zecken kommen schon jetzt auf den Hund
Haustierbesitzer müssen dieses Jahr früher als sonst etwas gegen blutsaugende Schädlinge auf der Haut von Hunden und Katzen tun. "Für die Zecken ist das ein optimaler Winter", sagt Christine Klaus vom Nationalen Referenzlabor für durch Zecken übertragbare Krankheiten in Jena. Schon bei Temperaturen von sechs bis acht Grad Celsius werden die kleinen Parasiten aktiv. Eine Zeckenplage löse ein milder Winter allerdings nicht zwangsläufig aus. "Wenn es knackig kalt wird, ziehen sich die Zecken wieder zurück", sagt Klaus.
Mückenplage nicht in Sicht
Eine Mückenplage im Frühjahr ist nach Einschätzung von Experten derzeit ebenfalls nicht in Sicht. "Milde Temperaturen sind für Stechmücken eher ungünstig", sagt Doreen Werner vom Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. Bei relativ mildem Wetter entwickeln sich zum Beispiel in Kellerräumen oder Höhlen, wo Mücken gern überwintern, Pilzsporen. Diese Pilze machen die Insekten "platt", meint die Mückenexpertin. Die Eier der Stechmücken überwintern ohnehin auf feuchten Wiesen oder in Tümpeln. Denen sei egal, ob fünf Grad plus oder minus 15 Grad Celsius herrschten, sagt Werner.
Laut Vorhersagen wird es demnächst kühler. Zum Wochenwechsel sind kältere Temperaturen angekündigt - im Nordosten bis zu minus sechs Grad. Ein richtiger Winter mit viel Eis und Schnee ist allerdings zumindest derzeit nicht in Sicht. Laut "Wetter.net" kämpften derzeit mehrere unterschiedliche Einflüsse von Hoch- und Tiefdruck um die Vorherrschaft übers Wetter in Deutschland. Große Schneemengen sind nach Einschätzungen der Meteorologen nicht zu erwarten.
Das Getreide wächst zu früh
Auf sinkende Temperaturen dürften viele Landwirte hoffen, die Getreide anbauen. Denn wenn die Wintersaaten zu früh wachsen, könnte Spätfrost im Frühjahr den jungen Trieben gefährlich werden, sagt der Agrarmeteorologe Franz-Josef Löpmeier vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Die Pflanzen seien nicht abgehärtet.
"Die Getreidepflanzen brauchen jetzt eigentlich Ruhe. Aber bei acht oder neun Grad wächst alles", sagt auch der Präsident des Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Rainer Tietböhl. Mancherorts seien die Bestände schon von Schimmelpilzen befallen. Er sei sich aber sicher, dass es noch einen richtigen Winter geben werde. "Die Natur wird alles wieder richten." Tietböhl erinnerte daran, dass 2013 noch im April in manchen Regionen Schnee lag und niemand eine gute Ernte erwartete. Innerhalb weniger Wochen habe die Natur alles aufgeholt.
Blattläuse und Mäuse mögen das warme Wetter - sie vermehren sich, was ebenfalls schlecht für das Getreide sein kann. Denn Blattläuse übertragen Viren, die die Pflanzen schädigen.
Gestresste Bäume
Auch für Bäume ist das aktuelle warme Wetter ungünstig. "Die Bäume können nicht abschalten und kommen nicht zur Ruhe", sagt der Sprecher des Landeskompetenzzentrums Forst Brandenburg, Jan Engel. Die Pflanzen bräuchten eine Winterruhe, bevor sie im Frühjahr erwachten. "Bei dem Wetter denkt der Baum, es geht schon los." Durch dieses Hin und Her würden sie geschwächt. "Sie verbrauchen ihre Reserven." Eine Folge könnte laut Engel sein, dass sich Nadelbäume nicht gegen Schädlinge wehren könnten. "Die Nadeln haben dann keine Kraft mehr, es fehlen die Ressourcen."
Eisweinernte fällt nahezu aus
Schließlich bringt die Wärme im Januar für Weintrinker eine unangenehme Nachricht. Wer Eiswein liebt, muss vermutlich auf den aktuellen Jahrgang verzichten. Denn die Eisweinernte, die seit Hunderten von Jahren zum Winter hierzulande gehört, fällt diese Saison in den deutschen Anbaugebieten nahezu aus. Bei einem ersten Kälteeinbruch hatten Ende November 2013 zwar eine Handvoll Winzer die edelsüße Spezialität produziert. Bei den derzeit milden Temperaturen rückt jedoch eine Eisweinernte - normalerweise bei mindestens minus sieben Grad Kälte - in weite Ferne. "Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass einzelne Winzer noch Trauben haben hängen lassen, das dürfte aber die absolute Ausnahme sein", sagt ein Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI) in Mainz.
Vögel finden das Wetter prima
Hochstimmung herrscht dagegen bei den Vögeln, sie hegen Frühlingsgefühle. Zahlreiche Arten zeigen schon jetzt ihr typisches Revierverhalten. "In diesem Jahr haben die Vögel bereits um Weihnachten herum mit ihrem Gesang begonnen und scheinen derzeit auch aktiver als sonst", sagt Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Zu hören seien unter anderem Kohlmeisen und Blaumeisen, die schon nach Nisthöhlen suchten.
Die jüngste Vogelzählung habe zudem gezeigt, dass sich in diesem Jahr weniger Vögel in den Gärten aufhalten, weil sie in Wald und Flur noch ausreichend Futter finden. "Ein plötzlicher Kälteeinbruch wäre kein Drama", meint Lachmann. "Dann ziehen die Vögel weiter gen Süden oder gehen in den Städten verstärkt auf Futtersuche."