Hitze-Drama bei der Bahn Staatsanwalt knöpft sich Zugchef vor

Nach dem Kollaps mehrerer Schüler in einem überhitzten ICE wird jetzt gegen den Zugchef ermittelt. Auch das Verkehrsministerium scheint nicht unschuldig zu sein: In Berlin wusste man schon länger von den Problemen mit den Klimaanlagen.

Nach den teilweise dramatischen Folgen von technischen Ausfällen der Klimaanlagen in Zügen der Deutschen Bahn geht die Suche nach den Verantwortlichen weiter. Im Fall des überhitzten ICE in Bielefeld, in dem mehrere Schüler einen Kollaps erlitten hatten, ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt gegen den Zugchef.

Es werde geprüft, ob der Mann den Zug früher hätte anhalten müssen, nachdem die Klimaanlage ausgefallen war, sagte der zuständige Staatsanwalt. Der Zugführer stehe unter dem Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung und unterlassenen Hilfeleistung. "Es muss nun geprüft werden, ob der Zugchef tatsächlich als Verantwortlicher bestehen bleibt oder ob andere die Verantwortung tragen."

Ministerium war informiert

Unterdessen gab das Bundesverkehrsministerium zu, von den Problemen mit den Klimaanlagen einiger ICE-Züge schon länger gewusst zu haben. Allerdings könnten die Probleme nicht schnell behoben werden, weil die Züge hochkomplexe technische Systeme seien, sagte Staatssekretär Enak Ferlemann im rbb.

"Fakt ist, dass ein solcher Zug im Grunde genommen bei minus 40 Grad laufen muss und bei 40 Grad plus auch, ohne dass es zu großen Beanstandungen kommt", betonte Ferlemann. Es habe sich aber erwiesen, dass die Bordelektrik der ICE-I- und ICE-II-Züge empfindlich sei. Es gehe nun darum, die Konsequenzen aus den Schäden an den ICE zu ziehen, auch weil die Ausschreibung einer kompletten Erneuerung der Flotte bevorstehe. "Und da sollen diese Fehler nicht wieder auftreten."

Bahn soll Defekte in Kauf genommen haben

Nach Angaben des Fahrgastverbandes Pro Bahn sind der Bahn die Probleme mit den Klimaanlagen seit mindestens eineinhalb Wochen bekannt gewesen. Der Rechtsexperte des Verbandes, Rainer Engel, sagte dem Bielefelder "Westfalen-Blatt", mit der steigenden Hitze hätten die Ausfälle vor allem in ICE-Halbzügen der zweiten Generation zugenommen. Diese Baureihe mit 44 Zügen stehe kurz vor einer Generalinspektion. Der Einsatz defekter Züge sei bewusst in Kauf genommen worden.

Die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA betonten, dass auch die Bahnmitarbeiter unter der anhaltenden Hitze zu leiden hätten und ihren Dienst unter extrem schwierigen Bedingungen verrichteten. "In diesem Zusammenhang muss das Unternehmen möglicherweise auch zusätzliches Personal zur Betreuung der Fahrgäste bereitstellen", sagten GDBA-Vize Peter Tröge und Transnet-Vorstandsmitglied Reiner Bieck.

Erneut mussten Züge geräumt werden

Am Wochenende war in drei ICE die Klimaanlage komplett ausgefallen, weshalb zwei der Züge in Hannover und einer in Bielefeld geräumt werden mussten. Zahlreiche Schüler von zwei Schulen in Nordrhein-Westfalen kamen dehydriert ins Krankenhaus. Betroffenen sollen mit Reisegutscheinen entschädigt werden.

Auch am Mittwoch hat die Bahn erneut mehrere Fernzüge nach einem Ausfall der Klimaanlagen geräumt. Wie ein Unternehmenssprecher dem Bielefelder "Westfalen-Blatt" sagte, wurde ein IC auf der Strecke Berlin-Amsterdam wegen einer defekten Klimaanlage gestoppt. Die Reisenden mussten demnach in andere Züge umsteigen. Zudem sei ein ICE zwischen München und Lübeck wegen Hitzeproblemen geräumt worden. Seit Samstag fielen dem Bahn-Sprecher zufolge in insgesamt 41 Fernzügen die Klimaanlagen aus.

DPA
fw/DPA/AFP/APN

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