Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel hat einen Mitarbeiter entlassen, weil dieser nicht auf dem schnellsten Weg von seiner Forschungsreise im Pazifik nach Deutschland zurückkehren wollte. Das meldet die Bewegung Scientist Rebellion in einer Mitteilung, die dem stern vorliegt. Ende September hatte das IfW den Ökonomen Gianluca Grimalda dazu aufgefordert, innerhalb von fünf Tagen wieder in Kiel zu sein, heißt es darin. Dafür hätte Grimalda ins Flugzeug steigen müssen. Das hatte der Forscher aber wegen der hohen Umweltbelastungen verweigert. Er plant stattdessen mit Frachtschiffen, Fähren, Zügen und Bussen zurückzureisen. Mit diesen Verkehrsmitteln war er auch zu seiner Forschungsreise in den Pazifik aufgebrochen.
"Ich habe vor, 39.000 km auf dem Land- und Seeweg zurückzulegen, anstatt zu fliegen, um meinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Meine Reise wird den CO2-Ausstoß im Vergleich zum Fliegen um 6,7 Tonnen reduzieren, obwohl sie immer noch 2,7 Tonnen ausstößt", schrieb der Forscher im Februar auf der Plattform X (vormals Twitter).
In der Mitteilung der Gruppierung Scientist Rebellion, der sich Grimalda ebenfalls angeschlossen hat, erklärte der Wissenschaftler, dass er derzeit nicht lehre und seine Arbeitsbesprechungen auch online abhalten könne. Seine Anwesenheit in Kiel sei daher nicht erforderlich.
Ursprünglich sollte der Forscher im September wieder in Kiel sein. Seine Feldforschung in Papua-Neuguinea habe aber zwei Monate länger gedauert als geplant. Das IfW habe aber gefordert, dass Grimalda sofort zurückkehrt. "Ich habe versucht, zu verhandeln. Ich wäre bereit, für die ganze Zeit der Reise auf mein Gehalt zu verzichten. Das Institut hat das nicht akzeptiert", sagt der Wissenschaftler in einem Interview mit der "Zeit".
Grimalda: CO2-Kompensation vermittelt falsches Sicherheitsgefühl
Das IfW äußert sich auf stern-Anfrage zurückhaltend. Zum Schutz der Beschäftigten könne man sich zu internen Personalangelegenheiten nicht äußern, teilt eine IfW-Sprecherin schriftlich mit. Das Institut habe aber seine "slow-travel"-Aktivitäten immer unterstützt. Warum das Institut jetzt eine Ausnahme macht, ließ die Sprecherin offen, stellte aber klar: "Bei Dienstreisen unterstützt das Institut seine Beschäftigten, klimafreundlich zu reisen. Wir verzichten weitgehend auf Flugreisen im Inland und im EU-Ausland, soweit es uns möglich ist."
Im Interview mit der "Zeit" sagte Grimalda, das Institut habe ihm angeboten, die CO2-Kompensationen für den Flug zu zahlen. Das habe er abgelehnt. Es gebe immer mehr Beweise, dass diese Programme die Emissionen kaum reduzieren. "Im Grunde genommen sind sie deswegen sogar gefährlich, weil sie ein falsches Gefühl von Sicherheit vermitteln", sagte Grimalda.
Von Kollegen am Institut, aber auch international habe er viel Rückhalt und Unterstützung erfahren. Julia Steinberg, Hauptautorin des letzten Berichts des Weltklimarats (IPCC) und Klimaforscherin an der Universität Lausanne, bezeichnete die Entscheidung des Instituts als "schockierend".
Forscher auch Klimaaktivist
Gianluca Grimalda reist nach eigenen Angaben so klimafreundlich wie möglich. Gerade hat er seine sechsmonatige Feldforschung in Papua-Neuguinea beendet. Dabei untersuchte er die Zusammenhänge zwischen Globalisierung, Klimawandel und sozialem Zusammenhalt.
Neben seiner Forschung engagiert sich Grimalda auch bei der Gruppe Scientist Rebellion. Im vergangenen Oktober nahm er an einer Klebeaktion in Wolfsburg teil. Diese könnte auch ein Grund für die Kündigug sein, mutmaßt Grimalda.
Quellen: Scientist Rebellion, Zeit Online, X( Twitter), Leibniz Magazin