Kölner Müllskandal Müll, Moneten und Mauscheleien

Der Kölner Müllskandal taugt zum Krimi. Hoch bezahlte Politiker und Manager wären zu sehen, die einander Millionen zuschieben. Was genau beim Bau der Müllverbrennungsanlage in den 90er Jahren passierte, das soll jetzt ein Mammutprozess klären.

Hätte der Autor eines der beliebten Regionalkrimis ein solches Buch veröffentlicht, die Kritik hätte ihm wahrscheinlich vorgeworfen, er bediene sich allzu platter Klischees und Vorurteile. Die Staatsanwaltschaft will in dem am kommenden Donnerstag beginnenden ersten Prozess um den Kölner Müllskandal jedoch beweisen, dass sich so eine Geschichte in der Wirklichkeit zugetragen hat.

Die Affäre spielt in den 90-er Jahren. Die Stadt Köln baute eine Müllverbrennungsanlage für 792 Millionen Mark (rund 405 Millionen Euro). Hauptfiguren der Handlung um Müll, Schmiergelder und Politik sind ein steinreicher Müllmogul, der 65-jährige Hellmut Trienekens, ein bereits wegen Spionage für die DDR verurteilter früherer SPD-Parlamentsgeschäftsführer, der 76-jährige Karl Wienand, und ein aufstrebender Lokalpolitiker, der 53-jährige ehemalige Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Norbert Rüther.

Weitere tragende Rollen spielen der 59-jährige frühere Geschäftsführer der städtischen Abfallentsorgungs- und -verwertungsgesellschaft AVG, Ulrich Eisermann, und der 62-jährige frühere Geschäftsführer der Gummersbacher Anlagenbaufirma Steinmüller, Sigfrid Michelfelder. Erwähnenswert ist, dass 25,1 Prozent der AVG einer Trienekens-Firma gehörten.

Bestechungsgelder in Höhe von 21,6 Millionen Mark

Laut Anklage geht es um Bestechungsgelder von 21,6 Millionen Mark (rund elf Millionen Euro). Wienand soll den Deal vermittelt haben. Dafür, dass die Firma Steinmüller den Zuschlag für den Bau der Müllverbrennungsanlage bekam, sollen Wienand, Trienekens, Michelfelder und Eisermann vereinbart haben, dass drei Prozent der Auftragssumme zu gleichen Teilen an Eisermann, Wienand und Trienekens fließen sollten. Rüther soll von Eisermann zwei Millionen Mark (rund eine Million Euro) für die Kölner SPD gefordert und auch erhalten haben. Er habe politische Unterstützung für das damals umstrittene Projekt zugesagt und auch geleistet, heißt es.

Nach Abzug der Kosten für die Geldwäsche mit Hilfe fingierter Rechnungen über Schweizer Briefkastenfirmen hätten Eisermann 9,49 Millionen Mark erhalten, Michelfelder 2,4 Millionen Mark, Wienand 4,2 Millionen Mark und Trienekens zwei Millionen Mark, besagt die Anklage. Das Geld sei per Überweisung oder auch teilweise in bar in die Schweiz gegangen und von den Beschuldigten dort im Laufe von fünf Jahren abgeholt worden - Bargeld im Aktenkoffer.

Die Anklage lässt einiges offen, was den Parteispendenskandal betrifft, der im vergangenen Jahr wenige Monate vor der Bundestagswahl die Kölner und die nordrhein-westfälische SPD erschütterte. Wo das Geld, das Rüther erhalten habe, letztlich geblieben sei, sei noch nicht geklärt, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft. Es spreche "viel dafür, dass ein Teil in den Kassen der SPD gelandet" sei. Auch habe das jetzt anlaufende Verfahren nichts mit den von Rüther zugegebenen "Dankeschön-Spenden" zu tun, die Kölner Unternehmen für städtische Aufträge gezahlt haben sollen und die illegal über fingierte Spendenquittungen in die Parteikasse geschleust worden sein sollen.

Netzwerk der Einflussnahme auf Politiker

Außer Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit oder Beihilfe dazu werden allen fünf Beschuldigten auch Steuerstraftatbestände vorgeworfen. Vor der 14. Großen Strafkammer des Landgerichts Köln müssen sich allerdings zunächst nur Rüther, Eisermann und Michelfelder verantworten. Der Mammutprozess ist auf 69 Verhandlungstage bis September 2004 angesetzt. Das Verfahren gegen Wienand wurde wegen krankheitsbedingt eingeschränkter Verhandlungsfähigkeit abgetrennt. Ein Termin steht noch nicht fest.

Gegen Trienekens, der sein Müllimperium inzwischen an die RWE Umwelt AG verkauft hat, wurde bisher noch nicht einmal die Anklage zugelassen. Auch bei ihm geht es um den Gesundheitszustand. Sollte ihm doch noch Verhandlungsfähigkeit attestiert werden, könnte auf Trienekens einiges zukommen. Eine Anti-Korruptionskommission der nordrhein-westfälischen Landesregierung sieht Anzeichen dafür, dass der Müllunternehmer "ein flächendeckendes Netzwerk der Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger" aufgebaut hatte. Die Ermittlungen gehen weiter.

Nachtrag der Redaktion: Das Verfahren gegen Hellmut Trienekens wegen Beihilfe zur Untreue wurde vom Landgericht Köln gegen Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 5 Millionen Euro eingestellt. Das Verfahren wegen Bestechung im besonders schweren Fall wurde vom Landgericht Bonn gegen Zahlung von Geldbeträgen in Höhe von insgesamt 500.000,-- Euro eingestellt.

Joachim Sondermann

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