Wie vor fünf Jahren bangt Russland wieder um das Leben von Seeleuten. In einem Wettlauf gegen die Zeit kämpft die russische Marine um die Rettung von sieben Matrosen in einem gesunkenen Mini-U-Boot vor der Halbinsel Kamtschatka. Die Besatzung habe nur noch für einen Tag Sauerstoff, sagte der Sprecher der Marine, Kapitän Igor Dygalo, in Moskau. Das Rettungstauchboot AS-28 vom Typ "Pris" hänge in 190 Metern Tiefe an einem Netz oder an einem anderen Gegenstand auf dem Boden des Pazifischen Ozeans fest. Laut einem Vertreter der Militärstaatsanwaltschaft liegt das Tauchboot in der Berjosowaja-Bucht 200 Kilometer südlich der Hauptstadt von Kamtschatka, Petropawlowsk-Kamtschatski. Interfax berichtete dagegen, das Schiff liege 75 Kilometer vor der Stadt.
Den offiziellen Angaben nach war das 13,5 Meter lange und 5,7 Meter hohe Mini-U-Boot am Donnerstag bei einer Übung in der Berjosowaja-Bucht gesunken. Die Antriebsschraube habe sich in einem Schleppnetz verfangen, sagte der Kommandeur der russischen Pazifikflotte, Admiral Viktor Fjodorow, am Flottensitz in Wladiwostok. Das U-Boot sei reparaturbedürftig gewesen und das Militär habe dies auch gewusst, erklärte die Werft Krasnoje Sormowo in Nischni Nowgorod. Dort war die AS-28 im Jahr 1989 gebaut worden.
Widersprüchliche Angaben
Die russische Marine hat widersprüchliche Angaben über den Stand der Rettungsarbeiten für das mit sieben Mann gesunkene Mini-U-Boot gemacht. Der Marinestab in Moskau teilte mit, noch liefen die Vorbereitungen auf die eigentliche Rettungsaktion.
Dagegen sagte ein Offizier der Pazifikflotte der Agentur Interfax, es es gelungen, unter Wasser ein Objekt auf den Haken zu nehmen. "Es ist aber nicht klar, ob es das Tauchboot ist. Wir müssen erst einmal das Seil spannen." Wenn es der Havarist sei, solle er auf etwa 100 Meter unter der Wasseroberfläche gehoben und von Tauchern untersucht werden.
Weiterhin hieß es im Lauf des Tages zunächst, es gebe genug Sauerstoff für vier Tage, später wurde die Frist auf zwei, dann auf einen Tag verkürzt. Der Zustand der Matrosen sei "normal", hieß es. In dem U-Boot herrsche eine Temperatur von fünf Grad. "Die Besatzung trägt kältefeste Kleidung, Essen und Wasser reichen für fünf Tage", zitierte die Agentur RIA-Nowosti einen Offizier. Der Sprecher der russischen Pazifikflotte, Oberst Alexander Kosopalow, sagte, die Matrosen seien nicht verletzt, und die Marine stehe in Kontakt mit ihnen. Das Boot sitze zu tief fest, als dass die Besatzung an die Meeresoberfläche schwimmen könnte.
Für Notfälle schlecht gerüstet
Der Unfall fast genau fünf Jahre nach dem Untergang des Atom-U-Bootes "Kursk" mit 118 Toten zeigte erneut, wie schlecht die russische Marine für Notfälle gerüstet ist. Anders als bei dem "Kursk"-Unglück vom 12. August 2000 forderte Russland jedoch rasch ausländische Hilfe an. Als Hoffnungsschimmer wollten die USA per Flugzeug ein Klein-U-Boot des Typs "Scorpio" zur Unglücksstelle in Marsch setzen. Dygalo kündigte eine Rettungsaktion aus eigenen russischen Kräften für Samstagmittag Ortszeit an (Nacht zum Samstag in Westeuropa). Zudem nahmen vier japanische Schiffe Kurs auf Kamtschatka, wo sie jedoch frühestens am Montag eintreffen.
Die Klein-U-Boote vom Typ "Pris" sollen für die russischen Seestreitkräfte Matrosen aus gesunkenen U-Booten retten. Insgesamt vier Stück wurden zwischen 1986 und 1991 gebaut. Daneben gibt es in der Marine noch den ähnlichen Bootstyp "Bester". Die "Pris" wird von Trägerschiffen zum Einsatzort transportiert und unter Wasser von vier Mann Besatzung gesteuert. Sie kann pro Tauchgang bis zu 20 Menschen bergen. Dabei dockt sie an die Rettungsluken der verunglückten U-Boote an. Die maximale Tauchzeit beträgt 120 Stunden. Wegen des Titanrumpfs und einer Tauchtiefe von bis zu 1000 Metern gilt sie in der russischen Marine als besonders leistungsfähig und sicher. Beim Untergang der "Kursk", die durch die Explosion eines schadhaften Torpedos an Bord versenkt wurde, konnten sie indes nichts ausrichten. Es zeigte sich, dass Wind und Wellen dem Einsatz der "Pris" enge Grenzen setzen. Es gelang dem Klein-U-Boot auch nicht, an dem leicht schräg liegenden Havaristen anzudocken.
"Hilferuf keine Schande"
Die russische Marine hatte im Jahr 2000 das Unglück zwei Tage verschwiegen und erst mit Verspätung ausländische Hilfe angefordert. Auch der damals neue Präsident Wladimir Putin war wegen der Tragödie mit 118 Toten in die Kritik geraten. "Wenn es um die Rettung der Seeleute geht, müssen alle Mittel genutzt werden, einschließlich ausländischer Hilfe", sagte Marinesprecher Dygalo jetzt. Der Hilferuf sei keine Schande.
Nach der bitteren Erfahrung mit der "Kursk" verfolgt die russische Öffentlichkeit alle Angaben der Militärs mit großem Misstrauen. Dygalo und der damalige Nordflottenchef Wjatscheslaw Popow hielten schon während des "Kursk"-Untergangs die Angehörigen mit Halbinformationen hin, von denen sich viele später als falsch entpuppten. "Wenn Dygalo sagt, dass alles gut gehen wird, dann kann man direkt das Gegenteil vermuten", sagte ein erboster Anrufer im Moskauer Radiosender "Echo Moskwy".
Die letzte Panne leistete sich die russische Marine Ende August 2003. In der Barentssee versank das ausgemusterte Atom-U-Boot K-159 auf der Schleppfahrt zum Abwracken und riss neun Matrosen in den Tod. Gegen Sicherheitsregeln wurde grob verstoßen: Das Wetter war für die Überführungsfahrt zu stürmisch, an Bord des Wracks waren unzulässig viele Seeleute.